geschrieben von Luise J. 

Wie so viele werdende Mütter, war ich so brav. Habe mich brav an alle Ernährungsratschläge gehalten, ein bisschen Yoga und Akupunktur, ein Geburtsvorbereitungskurs, einige vorbereitende Bücher und Erfahrungsberichte. Als starke Allergikerin kümmerte ich mich vor allem darum, dass in unserem Wunschkrankenhaus für die Entbindung alle über meine Allergien gegen bestimmte Muskelrelaxanzien (verwendet als Buscopan unter der Geburt und auch verwendet bei Narkosen) Bescheid wissen. 

Tag X

Tag X kam. Und ich musste, trotz aller Vorbereitungen , eingeleitet werden. Wenn ich recht überlege, fing hier bereits das Drama an. Obwohl meine Frauenärztin sagte, die Untersuchung im Krankenhaus einige Tage nach errechnetem Termin sei reine Routine und alles sei definitiv in Ordnung, malte der Arzt im Krankenhaus ein anderes Bild. Entsetzt berichtete er mir über meine verkalkte Plazenta und sagte, ich müsse dringend am nächsten Tag eingeleitet werden. Nicht optimal, das wusste ich, aber die Ärzte werden schon wissen, was das Beste für unser Kind ist. 

Ich wurde eingeleitet, alles lief relativ normal. Ich hatte schnell Wehen, die allerdings nicht besonders wirksam waren. Wir hatten Spaß mit unserer Hebamme, ich schrieb via WhatsApp mit meiner Familie. Schichtwechsel. Eine jüngere Hebamme kam. Wir waren uns sofort unsympathisch. Sie verdrehte vollkommen grundlos die Augen, untersuchte mich ständig und sehr forsch. Sie sagte, da die Wehen gerade keine positive Auswirkung auf den Muttermund hätten, würde sie mir Buscopan intravenös geben. 

Buscopan-Zäpfchen waren mir ein Begriff, vertrage ich. Doch dann hing sie die Infusion an und meine Atemwege verschlossen sich. Mein Mann stoppte sofort die Infusion. Die Hebamme fragte entnervt warum und verkündete dann: „Sie kriegen jetzt halt eine PDA, Sie können die Wehen ja gar nicht mehr veratmen, so schaffen Sie das nicht.“ Ähm, okay, ich wusste nicht, dass ich das Zwicken hätte veratmen müssen. Das Anästhesieteam stand direkt im Krankenzimmer und zehn Minuten später war es erledigt. Eigentlich okay, dachte ich. Jetzt ist sie schon mal drin, für den Fall der Fälle. Und wehgetan hat es auch nicht, dabei hatte ich davor immer großen Respekt. 

Ungeplanter Kaiserschnitt

Zig Untersuchungen später stellte man fest: „Muttermund bewegt sich absolut nicht mehr, wir sollten die Fruchtblase aufpiksen“. Ich, brav informiert, war skeptisch. Muss das alles wirklich sein? Wie geht es dem Kind? Alles in Ordnung? Dann würde ich lieber einfach abwarten. Die PDA zurückfahren. Doch jedes Mal, wenn die Hebamme ins Zimmer kam und ich nur mal den Anflug eines schmerzerfüllten Gesichtes hatte, drückte sie auf den Knopf, der Betäubungsmittel in mein Rückenmark schickte. Stunden später: Kind hat sich seltsam gedreht. Mutter regelmäßig umlagern, von linker auf rechte Seite und zurück. Hat nicht geholfen. Geburtsstillstand. “Frau J., wir müssen jetzt wirklich einen Kaiserschnitt machen.” Es war circa 1 Uhr nachts. 19 Stunden etwa seit Beginn der Einleitung. Wir waren verunsichert, jedoch uns schnell einig, dass man uns diesen Schritt nicht grundlos empfehlen würde und willigten ein. 

OP-Vorbereitung. Ich wurde hübsch angezogen, eingepackt und abgedeckt. Wie ein besonders schönes Weihnachtsgeschenk, dachte ich. Dann kam der freundliche Anästhesist mittleren Alters. „Hallo Frau J., ich habe hier ein Spray und sprühe sie damit an. Sagen Sie mir bitte, ob Sie das als nass oder kalt empfinden.“ – „Beides, nass und kalt“, sagte ich. Ungehalten sprühte der Anästhesist wieder und wieder auf meine beiden Beine. Auf meiner linken Seite empfand ich Nässe und Kälte. Rechts nur Nässe. Er pikste als Nächstes. Links zwickte es. Rechts spürte ich nichts. Letztendlich verdrehte er die Augen und signalisierte der wartenden Operateurin, sie könne beginnen. 

„Halt! Die Patientin hat das gespürt.“

Man schnitt und ich zuckte zusammen. Es tat nicht furchtbar weh, aber zwickte schon sehr. Die Anästhesieschwester machte darauf aufmerksam: „Halt! Die Patientin hat das gespürt.“ Der Anästhesist ungeduldig in meine Richtung: „Also Frau J., Sie müssen schon spüren, dass an Ihnen gearbeitet wird. Leichter als das kann ich es Ihnen leider nicht machen!“ „Ich hatte mich vorher absolut nicht über Kaiserschnitt informiert, ich bin davon ausgegangen, dass ich natürlich entbinde. Ich verstehe gerade gar nicht, was Sie von mir wollen?“, entgegnete ich. 

Doch dann spürte ich es… Alle Gewebeschichten nach der eigentlichen Haut wurden gerissen. Dieses Gefühl kann ich bis heute zu 100 Prozent wieder aufleben lassen. Finger in meinem Bauch, die Dinge durchreißen. Glücklicherweise nimmt die menschliche Psyche einem die Erinnerung an den Schmerz. Er muss allerdings groß gewesen sein. Ich erinnere mich daran, dass ich geweint habe und immer wieder gefleht habe, dass etwas unternommen wird. Irgendwann schrie die operierende Ärztin den Anästhesisten an: „Sie müssen JETZT was tun! So kann ich nicht weiter operieren!“ Herr Anästhesist wurde nervös: „Frau J., auf ihrer Akte klebt ein Zettel, dass sie gegen Muskelrelaxanzien allergisch sind. Gegen welche nochmal genau?“ Er plante anscheinend eine Vollnarkose. Ich verwies darauf, dass ich meinen Allergiepass als Kopie abgegeben hätte. Die Kopie war in der Akte. Hatte er leider nicht gelesen. Sich nicht rechtzeitig über Kreuzallergien oder was auch immer informiert. Traute sich die Vollnarkose nicht und spritzte mir ein Schmerzmittel nach dem anderen. Nach Morphium war zwar der Schmerz irgendwie immer noch nicht weg, aber ich so benebelt, dass sich alles nur gedreht hat. 

Vorurteile „Kaiserschnittmama“ 

Ich vernahm zwischendurch irgendwann, dass mein Kind da war. Und gleich wieder weg. Mein Mann, auch weg. Ich alleine, immer noch mit fremden Fingern im Bauch. Wurde genäht. Und wachte irgendwann im Aufwachraum auf. Dort wartete ich. Stundenlang. Während der Anästhesist neben mir Witze machte. Mir erzählte, was für eine hübsche Tochter ich hätte. 

Die Monate nach der Geburt waren geprägt von Depression, Selbsthass, Verwirrung, Frustration und, für mich am allerschlimmsten, Einsamkeit. Ich fühlte mich stigmatisiert und vertraute mich nahezu niemandem an. Besonders nicht anderen Mamas. „Kaiserschnittmamas“ hören so oft sowieso: „Na, du hast dir wohl den leichten Weg gesucht“ (übrigens: Nachwehen mit Schnittwunde in der Gebärmutter – MEGA easy) und dann noch das Gefühl, dass niemand irgendetwas über deine persönliche negative Erfahrung hören will. Horror-Stories über Geburten generell: super. Die Wahrheit über deine Erlebnisse: Oh, bitte, stell dich doch nicht so an. 

Leider habe ich nichts Lehrreiches, kein Wohlfühlende zu dieser Geschichte. Bei Kind Nummer zwei habe ich es nicht übers Herz gebracht, nochmal so die „Kontrolle“ abzugeben und hatte einen reibungslosen Wunschkaiserschnitt, der sich hoffentlich bald bei Kind Nummer drei auch wieder so abspielt. Drückt mir die Daumen, denn mein Vertrauen ist immer noch getrübt.