Ein Klassiker: „Bei Geld hört die Freundschaft auf!“ Auch in romantischen Beziehungen kann Geld ein Streitthema sein. Aber muss das so sein? Marielle und Mike finden nicht. Sie sind die „Beziehungs-Investoren“ und helfen Paaren dabei, ihre Finanzen als Team zu bewältigen. Besonders bei der Familiengründung kommen traditionelle Geschlechterrollen immer wieder zum Vorschein. Marielle und Mike setzen sich deshalb für eine gleichberechtigte Beziehung ein und dafür, dass Elternpaare die Elternzeit nach ihren eigenen Bedürfnissen ausrichten können und nicht nur nach der gesellschaftlichen Norm. Ich habe für euch mit Mike über alles vom ersten Date bis zum Ehevertrag gesprochen.

Gleich eine polarisierende Frage zum Anfang: Glaubt ihr, dass wahre Gleichberechtigung – im Alltag, im Job, als Eltern, bei den Finanzen – in unserer heutigen Gesellschaft überhaupt möglich ist?

Es gibt zwei Hauptprobleme, die das erschweren. Das eine ist strukturell: Zum Beispiel werden bei der Elternzeit Mütter deutlich mehr gefördert. Väter haben keinen Kündigungsschutz bis acht Wochen vor der Elternzeit, Frauen schon mit Beginn der Schwangerschaft. Nur Mütter kriegen Rentenpunkte und gehen in den Mutterschutz – es gibt keinen Familienschutz. Daher setzen Arbeitgeber doch eher auf Männer, da sie weniger in Elternzeit gehen und es bedeutet einen erschwerten Kampf für Frauen.

Das zweite Problem ist die Sozialisierung, wie wir aufwachsen und was wir vermittelt bekommen. Man sieht es in Kleidung, Spielzeug, Filmen, der Schule. Stereotype sind trotz allen Fortschritten noch tief in den Köpfen der Menschen: Mann = Versorger und Frau = Hausfrau.

Kommunikation ist ein großes Thema. Wie früh sollte man über Geld sprechen?

Wir haben schon beim ersten Date über Geld gesprochen – nicht über Aktien, aber wer bezahlt? Man hat da eigentlich die wunderbare Chance, ein unangenehmes Thema früh aufzugreifen. Und dann wenn die Meilensteine kommen, der erste gemeinsame Urlaub etc. Spätestens vor dem Zusammenziehen wird es wichtig, weil gemeinsame Ausgaben auf dem Plan stehen.

Für viele ist das Thema Finanzen unangenehm und überwältigend. Ohne Know-How, wie fängt man am besten an?

Der beste und erste Schritt ist ein Haushaltsbuch. Die erste Stufe dauert nur 5 Minuten: Einmal im Monat alle Kontostände und das Gesamtvermögen aufschreiben und dann die Entwicklung beobachten. Stufe zwei: Einnahmen und Ausgaben angucken und überlegen, welche nicht mehr relevant sind, zum Beispiel alte Verträge. Und wenn ich nur ein Einkommen habe – fühle ich mich damit wohl und sicher? Möchte ich weiteres generieren und wie? In der dritten Stufe plane ich in die Zukunft, zum Beispiel mit einen Budgetplan für das nächste Jahr.
So kriegt man eine ordentliche Struktur und einen guten Überblick und es senkt die Gefahr, sich zu verschulden oder keine Rücklagen zu haben.

Verheiratete Paare vereinbaren aus finanziellen Gründen häufig, dass eine Person in eine höhere und die andere in eine niedrigere Steuerklasse eingestuft wird. Oft ziehen Frauen dabei den Kürzeren. Belastet so etwas die Beziehung?

Ich glaube, dass es irgendwann zu einer Belastung kommt. Tückisch ist, dass es lange unterschwellig gut läuft. Die Probleme tauchen nicht auf. Dann passiert etwas und setzt die Beziehung unter Stress – Arbeitslosigkeit, Verlust der Immobilie, generelle Streitigkeiten. Auf einmal wird Geld relevant. Wenn es keine Basis gibt, durch die beide einen gleichberechtigten Zugang haben, das Wissen und die Möglichkeit, Dinge zu überprüfen – dann ist das extra Zündstoff in einer bereits schwierigen Situation.

Wie sieht finanzielle Gleichberechtigung in der Beziehung realistisch aus?

Gleichberechtigung muss nicht 50/50 sein. Worauf es ankommt ist, dass beide den gleichen Zugang haben und die gleiche Möglichkeit haben, Dinge zu tun (auch finanziell). Bei der Elternzeit bedeutet das, dass beide die gleiche Berechtigung haben, drei Jahre zu Hause zu bleiben oder nach vier Monaten wieder zu arbeiten. Dass beide mitreden können, das ist Gleichberechtigung. Das kann sehr unterschiedlich aussehen. Wenn beide sich einbringen und offen darüber reden können, beide die gleiche Chance haben, dann ist das erreicht.

Würdet ihr Paaren ein gemeinsames Konto empfehlen? 

Wir empfehlen ein Drei-Konten-Modell mit einem Gemeinschaftskonto und zwei individuellen Konten. Mit dem Zusammenziehen würde ich empfehlen, das einzurichten. Von dem Gemeinschaftskonto kann man Lebensmittel, Miete etc. bezahlen. Das bedeutet immer noch finanzielle Unabhängigkeit durch ein eigenes Konto, aber Themen wie Ausgleichszahlungen sind nicht mehr relevant.
Als es bei uns in die Familienplanung ging, kam noch ein Rücklagen-Konto hinzu. Das hat sich bewährt, weil wir die Diskussion in der Not rausgenommen haben. 

Elternzeit als Mann – wie akzeptiert ist das wirklich und begegnet Mann vielen Vorurteilen?

Ich habe das Glück, im sozialen Bereich zu arbeiten, da ist es vielleicht nochmal anders. Aber es sorgt doch immer wieder für Verwunderung. Zum Beispiel wird gerade meine Vertretung gesucht und eine Bewerberin fragte mich, wo die Leitung sei, die sie vertreten soll. Ja, das bin ich. Ja, ein Mann. „Sie können doch gar nicht schwanger sein… Oh, wunderbar, mal so jemanden kennenzulernen.“ Es war total sympathisch, keine schlimme Situation, trotzdem war es ein Thema und nicht selbstverständlich.
Grundsätzlich freuen Menschen sich, endlich mal einen Mann als rares Exemplar kennenzulernen. Doch wenn das Kind dann da ist, kommen schon Sprüche: „Du schaffst das, mit deinem Kind alleine zu sein?“ Ich bin der Papa, mein Sohn liebt mich.

Was sollte man beim Gespräch mit Arbeitgeber*innen zur Elternzeit beachten? 

Ich würde mit den Bedürfnissen anfangen, nicht sagen „Das ist mein Plan“, sondern: „Ich möchte möglichst x Monate Auszeit und meine Stunden reduzieren. Was ist euch wichtig?“ Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht, weil Arbeitgeber auch nicht 100% abgeneigt sind, sondern eher nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen. Und wenn der Arbeitsplatz nicht mitmacht, ist es die Frage, ob das der passende ist.
Frauen haben ein größeres Zeitfenster durch den Kündigungsschutz mit Beginn der Schwangerschaft. Männer haben diesen erst acht Wochen vor der Elternzeit.
Aber beim Bewerbungsgespräch würde ich es nicht ansprechen. Da hat es nichts zu suchen. Es geht um die Qualifikation der Person, nicht um das Privatleben.

Teilzeit ist auch ein großes Thema. Laut Arbeitskräfteerhebung war 2019 in Deutschland fast jede zweite erwerbstätige Frau zwischen 20 und 64 Jahren in Teilzeit tätig. Dabei werden immer mehr später unter Altersarmut leiden. Habt ihr hier Tipps?

Für die Frau ist die Elternzeit gar nicht so schlimm in Richtung Rente, weil sie pro Jahr einen Rentenpunkt kriegt. Dazu kommt das, was währenddessen in Teilzeit gearbeitet wird. Das ist bei Männern schwieriger. Das Problem ist, was danach passiert: In der Regel bleiben Frauen in der Teilzeit, aber es gibt keinen Ausgleich mehr mit Rentenpunkten. Wenn 20 Stunden oder weniger gearbeitet wird, bleiben auch Beförderungen aus. Da geht dann der Gap so weit auseinander. Deswegen empfehlen wir, dass beide mindestens 30 Stunden arbeiten können – wenn das Kind älter ist. So gibt es wahrscheinlicher Aufstiegsmöglichkeiten und so können besonders Frauen gegen die Altersarmut-Falle kämpfen. Das bedeutet für Männer, dass keine 40/50 Stunden möglich sind, aber für die Familie ist es besser.

Gibt es allgemeine Unsicherheiten, die Kund*innen haben, wenn sie sich an euch wenden?

Erstmal der Begriffe-Dschungel: Elternzeit, Elterngeld, Partnerschaftsmonate, Geschwisterbonus etc. Das ist eine große Herausforderung, weil die Begriffe klar sein müssen, um einen Gestaltungsfreiraum zu haben. Daher: Erstmal Vokabeln lernen. 

Und allgemein bei den Finanzen: „Wie fange ich an, darüber zu sprechen?“ Wir empfehlen, in der Vergangenheit anzufangen, da es distanziert ist: Wie war es bei dir mit dem Taschengeld? Habt ihr in der Familie über Geld gesprochen? Dann in die Zukunft: Wovon träumen wir? Was wollen wir in der Beziehung und im Berufsleben erreicht haben? Wo wollen wir wohnen? Anschließend: Was können wir in der Gegenwart tun, um das zu erreichen? Wie müssen wir dafür unsere Finanzen gestalten? So kommt man sich aus der Distanz immer näher. Ich würde solche Gespräche beim Spazierganz unter freiem Himmel führen. Man geht in dieselbe Richtung und ist nicht eingeengt. Wenn ich am Tisch gegenübersitze, habe ich bereits eine Gegeneinander-Haltung.

Früher war die Ehe ein wirtschaftliches Geschäft und Geld prägte die Partner*innenwahl. In den letzten Jahrhunderten wurden Beziehungen romantisiert und emotionaler begründet. Haben wir vielleicht die Bedeutsamkeit von Geld in Beziehungen verloren? Unwichtig ist das Thema ja nicht.

Man sieht das beim Ehevertrag. Mir wird oft entgegnet, dass es total unromantisch sei und dass man aus Liebe heiratet und davon ausgeht, gemeinsam alt zu werden und ein Ehevertrag das Ende plant. Kann ich nachvollziehen, aber die Sache ist, dass in Deutschland alle Ehepaare einen Ehevertrag haben – der steht im BGB. Und im Zweifel passt der nicht. Es macht Sinn, sich über Dinge wie Sorgerecht im Falle einer Scheidung Gedanken zu machen. Weil es einfach so ist, dass Ehen zu 50% geschieden werden. Und so führt man den romantischen Gedanken auf eine Art weiter, denn wir wissen nicht, was passieren wird. So sorgen wir in guten Zeiten dafür, dass es in den eventuell schlechten Zeiten unseren Kindern weiterhin gutgeht. 

Letzte Frage: Was würdet ihr Männern und Frauen raten, um mehr für eine gleichberechtigte Partnerschaft zu tun?

Männern empfehle ich, den Mut zu ergreifen und gegebenenfalls Pionierarbeit in der eigenen Branche zu leisten und den Weg für die Männer zu ebnen, die nachkommen, damit sie es einfacher haben. Das wäre ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

Frauen empfehle ich, sich mehr von der mentalen Belastung der Kindererziehung und des Haushalts zu befreien und Verantwortung abzugeben. Akzeptieren, wenn etwas schiefgeht und nicht sofort einspringen. Es ist wichtig, Verantwortung gemeinsam zu besprechen und dann auch abzugeben und sich zu entlasten.

Ich würde grundsätzlich beiden empfehlen, offen miteinander zu reden und die eigenen Bedürfnisse anzusprechen.

Wenn ihr mehr über und von Marielle und Mike wissen möchtet, ihr findet die beiden hier auf Instagram und hier auf ihrer Webseite.