geschrieben von Kerstin / Instagram: @frau_heber

Da lag ich also: auf der Liege in einer Praxis für Prenataldiagnostik. Nicht im Traum hätte ich mir vorstellen können, in meinem Leben noch einmal in diese Situation kommen zu dürfen. Ja, dürfen. Das schreibe ich bewusst. Denn zum Zeitpunkt der Untersuchung bin ich knapp 46 Jahre alt und das fünfte Mal schwanger. 

Die vier Schwangerschaften zuvor endeten leider als Fehlgeburten. Niemand konnte mir sagen, warum. Was man mir aber nach zahlreichen Untersuchungen sagen konnte: dass ich den Wechseljahren näher sei als einer Familiengründung. Eine kleine Zäsur in meinem Leben, hatte ich mir doch immer eine eigene Familie gewünscht. 

Dass ich mich diesem Thema erst mit Ende 30, Anfang 40 gewidmet habe, hat verschiedene Gründe: nicht den richtigen Partner gefunden, meine Wüsche zwischenzeitlich ein wenig verloren, in meinen 20ern zu wenig Selbstbewusstsein gehabt. Selber Schuld, mögen einige denken. Das ist okay. Die Wege des Lebens sind eben so vielfältig, wie es Menschen auf der Erde gibt. 

Manchmal kommt es anders … 

Mit Mitte 30 habe ich meinen heutigen Mann getroffen. Eigentlich muss ich sagen „wiedergetroffen“, denn wir haben zusammen das Abitur gemacht. Mehr als 15 Jahre lagen zwischen dem damaligen „Man sieht sich“ und der zufälligen Begegnung in einer anderen Stadt. Da jeder von uns sein „Lebenspäckchen“ mit sich trug, haben wir erst einmal das Miteinander genossen. 

Nach der Entscheidung, dass wir uns gemeinsam Kinder vorstellen können, wurde ich relativ schnell schwanger. Zwei Tage vor unserer Hochzeit hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. „Huch, so schnell?!“ … Und dann waren sie auch schon da, die „Bilderbuchgedanken“ in meinem Kopf: „Wow, nach all den Jahren des ‚Suchens‘ bist du nun wirklich mit dem Mann deines Lebens zusammen, übermorgen wird geheiratet, und in wenigen Monaten sind wir eine Familie.“ Daran, dass dieses Bild verrutschen oder ganz anders aussehen könnte, habe ich überhaupt nicht gedacht … 

Die Realität holte mich auf einer Flughafentoilette in Athen in Form von starken Blutungen ein und wurde ärztlich bestätigt: Das Herz des ungeborenen Kindes hatte aufgehört zu schlagen. Und auch bei den danach folgenden drei Schwangerschaften sollte es keinen positiven Ausgang geben. 

Unsere 4%-Kämpferin

Meine fünfte Schwangerschaft kam drei Jahre nach der letzten Fehlgeburt absolut unerwartet und null geplant, hatte ich doch noch die Worte im Ohr: „Bei Ihnen liegt die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Schwangerschaft bei 4%.“ Nun denn, ich konnte schon in der Schule nicht viel mit Stochastik anfangen … 

Trotz Blutungen vor der 12. SSW hatte sich dieses Mal eine kleine Kämpferin eingenistet. Meine Frauenärztin hat mich wunderbar und engmaschig begleitet und von sich aus die Möglichkeit der Prenataldiagnostik angesprochen. Mein Mann und ich haben uns dafür entschieden: Mein Alter und die damit einhergehende Risikoschwangerschaft sowie die vier Fehlgeburten konnten und wollten wir nicht ignorieren. Nicht, weil wir uns nicht so oder so über unser Kind gefreut hätten. Sondern weil wir emotional vorbreitet sein wollten auf alle Eventualitäten. In unserem Umfeld haben alle diese Entscheidung verstanden (oder nichts gesagt?), kannten sie doch unsere Geschichte. 

Leben schenken – egal, auf welche Weise

Die Schwangerschaft schritt voran, und ich konnte mich nach und nach fallen lassen und über unser kleines Wunder freuen. Für mich stand relativ schnell fest, dass ich per Kaiserschnitt* entbinden wollte. Nach meinen vorherigen Erfahrungen war die Vorstellung, dass unserer Tochter auf den letzten Metern noch etwas passieren könnte, unerträglich. 

Nun mögen manche sagen: „Auch ein Kaiserschnitt birgt Gefahren und es kann zu Komplikationen kommen“. Das ist sicherlich richtig, und ich bin auch keine Fachfrau oder habe Statistiken recherchiert, die anderes belegen. Mir war aber klar, dass ich bei einer natürlichen Geburt nicht entspannt bleiben könnte. Egal, welche – mentalen – Übungen ich auch zur Vorbereitung machen würde: Unsere Tochter hätte es schwer gehabt, auf die Welt zu kommen – das habe ich einfach gefühlt. Meine Frauenärztin war auch bei diesem Thema sehr verständnisvoll. Wir haben zwar über die Alternative der natürlichen Geburt gesprochen, aber meinen Wunsch hat sie mir zu keiner Zeit ausreden wollen und diesen von mir für mich gewählten Weg verstanden. Dafür bin ich ihr noch heute mehr als dankbar.   

Rund um das Thema Kinderbekommen wird gesellschaftlich so vieles akzeptiert – künstliche Befruchtung, Samenspende, Adoption, usw. Nur bei der Art und Weise, wie eine Frau oder gebärfähige Person ihr Kind zur Welt bringt, meinen Außenstehende immer noch, mitreden oder gar werten zu müssen. Das ist in meinen Augen nicht okay. Es gibt Gründe für die eigene Entscheidung. Ob für andere nachvollziehbar oder nicht, spielt keine Rolle. Wichtig ist allein, dass man für sein/e Kind/er und sich den richtigen Weg wählt – den der Liebe.