„Tausend Mal berührt, tausend Mal ist nichts passiert. Tausend und eine Nacht … und es hat Zoom gemacht“. So hat Klaus Lage schon vor 40 Jahren eine Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau besungen, bei der es eines Nachts knisterte. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass mindestens die Hälfte von denen, die diese Zeilen gerade lesen, dieses Lied schon einmal ordentlich vollgetankt vor der Theke mitgegrölt haben. Mich eingeschlossen. 

Aber habt ihr euch währenddessen, zwischen hunderten Biergläsern mit euren verschwitzten, klebrigen Haaren vom Tanzen und den übelriechenden Bierfürzen auch gefragt, was eigentlich hinter diesen Zeilen steckt? Ich vermute mal eher nicht… 

Ist es vorprogrammiert, dass eine Freundschaft zwischen Männern und Frauen (im Folgenden auch „Cross-Sex“-Freundschaft genannt) immer automatisch im Bett endet?  Was macht eine gute Freundschaft für Männer und Frauen eigentlich aus? Welche Rolle spielt die Anziehung in einer „Cross-Sex“-Freundschaft und welche Formen von Anziehung gibt es? 

Hinweis: Natürlich gibt es auch “Cross-Sex”-Freundschaften, in denen eine Person oder beide sich nicht sexuell vom jeweils anderen Geschlecht angezogen fühlen. Genauso wie es “Same-Sex”-Freundschaften gibt, bei denen sexuelle Anziehung auftreten kann. In diesem Beitrag geht es jedoch um “Cross-Sex”-Freundschaften zwischen heterosexuellen Menschen, bei denen eine mögliche Anziehung aufkommen kann.

Wenn aus Freundschaft Liebe wird

Stellt euch mal vor: Nele und Tom sind seit 12 Jahren verheiratet und stolze Eltern zweier Töchter. Dass sie heute gemeinsam als Familie hier stehen, sehen beide nicht als selbstverständlich an, denn als Tom sich im zweiten Semester in Nele verliebte, war diese bereits mehrere Jahre in einer Beziehung mit jemand anderen. „Ich habe es damals einfach nicht verstanden, und es hat mich total überfordert“, so Nele. Auch Tom sagt rückblickend: „Wir waren während unserer gesamten Schulzeit richtig gut befreundet und da war jahrelang nichts. Aber als wir nach der Schule in unterschiedliche Städte gezogen sind, habe ich bemerkt, wie sehr sie mir fehlte und dass ich mich einfach zu sehr auf die Wochenenden freute, an denen ich sie sah, als dass ich meine Gefühle hätte ignorieren können.“ 

Es habe sehr lange gedauert, bis sich Nele von ihrem Freund getrennt habe. Sie habe sich zunächst zurückgezogen und Tom sei sicher gewesen, sie durch seine Ehrlichkeit verloren zu haben. Aus Neles Perspektive kam es dann so: „Erst als wir so gut wie keinen Kontakt mehr hatten, habe ich gemerkt, dass es ohne ihn nicht geht und bin noch einmal auf ihn zugegangen. Dass wir irgendwann eine Familie sein könnten – daran habe ich zu dem Zeitpunkt einfach nicht gedacht.“

Wenn man die Geschichte von Tom und Nele liest, klingt sie rückblickend ziemlich romantisch – ja fast schon kitschig. Aber obwohl die Geschichte für die beiden ein Happy End hatte, gibt es unzählige Freundschaften, die daran zerbrechen, wenn sich eine Person in der Freundschaftsbeziehung verliebt und die andere nicht. 

Aber selbst wenn man die Möglichkeit, dass sich eine Partei in die andere verliebt, ausschließt, bleibt immer noch die Frage, ob Männer und Frauen nicht vom Grundsatz her viel zu verschieden sind, um miteinander befreundet sein zu können. 

Von den Ansprüchen an eine Freundschaft

Tatsächlich gibt es Studien, die deutlich machen, dass Männer und Frauen sehr unterschiedliche Ansprüche an eine Freundschaft haben und Frauen eine Freundschaft zu einer anderen Frau („Same-Sex“-Freundschaften) deutlich mehr wertschätzen als die zu einem Mann. Vielleicht geht dies mit den unterschiedlichen Erwartungen an eine Freundschaft einher. Denn während für Frauen in einer Freundschaft Vertrauen, gemeinsame Interessen und emotionale Nähe unentbehrlich sind, steht für die Männer Intelligenz, Reichtum und Attraktivität ganz oben auf der Liste, wie eine Studie belegt.

Welche Rolle die Anziehung spielt

Ausschlaggebend dafür, ob eine „Cross-Sex“-Freundschaft funktionieren kann, ist auch, inwiefern Anziehung innerhalb der Freundschaft eine Rolle spielt. Dabei sollte unterschieden werden zwischen: 

  • Sexueller Anziehung: Das heißt, dass sich mindestens einer der Freunde von der jeweils anderen Person angezogen fühlt
  • Objektiver Anziehung: Das Wissen, dass der Freund oder die Freundin objektiv betrachtet attraktiv ist, aber für einen selbst nicht anziehend
  • Romantischer Anziehung: Mindestens eine Person hat Gefühle für die andere entwickelt
  • Freundschaftlicher Anziehung: Anziehung ausschließlich durch die freundschaftliche Verbundenheit zueinander 

Dabei ist es interessant zu wissen, dass die freundschaftliche Anziehung im Laufe der Freundschaft steigt, während die sexuelle und romantische Anziehung sinkt. Grundsätzlich fühlen sich Männer innerhalb einer Freundschaftsbeziehung sexuell hingezogener zu Frauen, als Frauen zu Männern. Mutmaßlich überschätzen sie daher das sexuelle Interesse der Frauen, was auch eine US-amerikanische Studie belegt.

Was aber, wenn es nun eine sexuelle Anziehung bei beiden gibt? 

Die Begriffe Freundschaft Plus oder friends with benefits, hat bestimmt so ziemlich jede*r schon einmal gehört. Wenn man sich im Freundes- und Bekanntenkreis mal umhört, dann scheint das auch gar nicht so selten. Und tatsächlich belegen US-amerikanische Studien, dass es, abhängig von der jeweils erhobenen Altersgruppe, bei zwischen 35 und 65 Prozent schon einmal zu intimem Kontakt mit einem Freund oder einer Freundin gekommen ist. Das Interessante dabei, in 67 Prozent der Fälle hat das die Freundschaft sogar noch gestärkt und bei 20 Prozent entwickelte sich aus dem Freundschaft Plus-Modell sogar eine feste Beziehung. Bei nur einem Fünftel hatte der Austausch intimer Zärtlichkeiten einen Kontaktabbruch zur Folge.

Was lernen wir nun daraus? Kann eine Freundschaft zwischen Männern und Frauen funktionieren? 

Ja, sie kann. Wenn ihr ein paar Dinge dabei nicht außer Acht lasst:

Sorgt für klare Verhältnisse, damit ihr wisst, was ihr voneinander wollt und was eben nicht. Seid ihr glücklich vergeben? Dann teilt eurem Freund oder eurer Freundin mit, dass diese Freundschaft für euch rein platonisch ist. Lasst euren Partner oder eure Partnerin an der Freundschaft teilhaben, damit Eifersucht wenig Raum gegeben wird.

Versucht euch auf eure Freundschaft zu konzentrieren und Spekulationen, die vor allem dann auftauchen, wenn es sich um die Freundschaft zweier Singles handelt, nicht an euch heranzulassen. 

Es gibt definitiv mehr Hürden, die in einer „Cross-Sex“-Freundschaft überwunden werden müssen und man sollte sich klarmachen, dass es nicht in jedem Fall so läuft wie bei Nele und Tom. Aber wenn ihr offen miteinander kommuniziert und über eure Vorstellungen und Erwartungen innerhalb der Freundschaft sprecht, dann steht einer Freundschaft zwischen Mann und Frau nichts im Weg.