Fair Fashion Labels gibt es immer mehr. Das Bewusstsein für eine nachhaltige Produktion von Kleidung steigt und damit die Nachfrage danach. Und doch gibt es viele Menschen, an die in dieser Branche kaum gedacht wird. Und nein, es geht dieses Mal nicht um die Preise der Mode. Es geht um eine vielfältige Auswahl an Übergrößen – die gibt es nämlich selten. Und egal ob Fast oder Fair Fashion, Übergrößen werden meist immer noch nur als Nische angesehen und dementsprechend angeboten.
Eine Veranstaltungsstätte kann behaupten, dass der Bedarf für einen barrierefreien Eintritt nicht groß genug ist, um den Eingang umzubauen. Und eine Modemarke kann behaupten, dass der Bedarf für große Größen in nachhaltiger Mode nicht dafür ausreicht, um in die Produktion neuer Kleidungsstücke zu investieren. Aber bis das Angebot nicht da ist, kann die Nachfrage nicht darauf reagieren.
Liegt die Verantwortung nicht in der Hand von Unternehmen, die gesamte Bevölkerung anzusprechen? Und wie fair ist faire Mode, wenn sie nur für bestimmte Körpertypen und -größen Kleidung anbietet?
Wir haben dazu mit 3 nachhaltigen Modelabels gesprochen. Was Story of Mine, Adieu Cliché und Les Sœurs zu der Inklusion größerer Kleidungsgrößen und diversen Körpertypen in der Modewelt und ihrem eigenen Umgang damit sagen, lest ihr hier:
Es werden oft wirtschaftliche Gründe dafür angegeben, warum es weniger Plus Size Fair Fashion gibt – aber über 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung ist “mehrgewichtig” – wie passt das zusammen?
Adieu Cliché
Für mich persönlich stellt sich immer die Frage was ist „mehrgewichtig“. Generell ist die Modewelt mit Körper und Proportionen bezüglich Größen ziemlich radikal. Entweder wir haben Größen die alle in den Super Skinny Bereich fallen oder Plus Size. Wo finden wir die Frau dazwischen? Ob die Gründe dafür wirtschaftlicher Herkunft sind? Ich glaube nein. Dennoch glaube ich, dass Konfektionsgrößen generell überdacht und angepasst werden müssten, einschließlich in der Werbung und den Medien.
Les Sœurs
Es passt eigentlich nicht zusammen wenn man sich die Zahlen anguckt. Mehrgewichtige Menschen wurden lange auch modisch diskriminiert und übersehen. Es ist ein sehr zäher Prozess, den Modebereich im Plus Size Segment zu entstauben, aber es tut sich was, wenn auch bisher hauptsächlich online (im stationären Handel gibt es nur eine Handvoll Läden). Fair Fashion Unternehmen sind oft klein- und mittelständische Unternehmen für die es schwer ist, sich auf dem Modemarkt durchzusetzen. Außerdem besteht hier die Herausforderung, dass Schnitte hochgradiert werden können (von 34 auf 54) und Passformen angepasst werden müssen. Diese Hingabe kostet Zeit und Geld, die viele Firmen nicht geben können oder möchten.
Fair Fashion ist ein Thema, dass erst in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen hat und leider noch immer eine Nische ist. Bei Plus Size und Fair Fashion treffen dann zwei Nischen aufeinander, die es eigentlich nicht sein sollten. Und obwohl das Interesse immer größer wird, steigen gleichzeitig die Umsatzzahlen im Ultra Fast Fashion Bereich. Das alles passiert parallel – da fragt man sich auch, wie das sein kann.
Viele Marken bieten außerdem nicht so viele verschiedene Größen an, weil sie so einen großen Vorrat anlegen müssten, der durch 1. die Vorfinanzierung und 2. den Lagerraum ein finanzielles Risiko bedeuten würde. Deshalb scheidet Plus Size oft in der Entscheidung der Fokussierung des Segments aus. Ehrlich gesagt ist dies jedoch oft auch ein vorgeschobener Grund)
Story of Mine
Ich kann da nur aus unserer Sicht als noch sehr junges Unternehmen sprechen. Wir haben noch nicht die Mittel und den Kundenstamm, um alle Größen abzudecken. Angefangen haben wir mit 3 Größen, mittlerweile sind wir bei 5 Größen. Die Nachfrage muss da sein, um eben auch die größeren Größen anbieten zu können. Des weiteren ist es auch nur bedingt möglich die Artikel auf alle Größen anzupassen. Oft Bedarf es auch einen anderen Style oder eine komplett andere Passform. Dies benötigt dann eine eigene Entwicklung und das können wir als junges und kleines Unternehmen noch nicht umsetzen.
Laut Aktivistin Veronika Merklein sind Übergrößen hochpolitisch und tabuisiert: „Viele Firmen produzieren nicht größer und unterstützen keine Plus-Size-Events, weil sie schlichtweg Angst vor schlechter Publicity haben und nicht mit dicken Menschen assoziiert werden möchten.“ Es gibt offensichtlich diskriminierende Haltungen wie die von Abercrombie & Fitch CEO Mike Jeffries, der sagt, dass er nicht will, dass dicke Menschen seine Kleidung tragen. Aber vermeiden auch faire Modemarken mit mehrgewichtigen Menschen assoziiert zu werden?
Les Sœurs
Das ist wahr, das ist lange so gewesen. Damit wollten Firmen nicht identifiziert werden. Wir als Gesellschaft haben dem Dicksein Vorurteile wie Faulheit und Unsportlichkeit angehaftet. Firmen schrecken davor zurück und wollen ihr Image, dass meist jung und dynamisch sein soll, nicht gefährden. Das ist ein großes Problem. Aber das ändert sich aktuell sehr. Viele sind jetzt auf “Diversität” aus – das ist das neue Image, das man projizieren möchte. Man sieht auf Kampagnen und Social Media viel mehr unterschiedliche Körperformen, Hautfarben, Typen. Das ist erfreulich, ist aber auch oft nur Kampagne und Image-Building. Doch in diesem Fall natürlich mit einem positiven Nebeneffekt, dass wir etwas tun für unsere Sehgewohnheiten
Es sind aber auch nicht nur “die bösen” Firmen schuld. Das kommt ja nicht aus dem Nirgendwo. Wir als Gesellschaft haben ja auch für die Diskriminierung gesorgt und haben auch eine Haltung, an der wir arbeiten müssen.
Story of Mine
Ich denke die Haltung und Aussage von Abercrombie & Fitch CEO Mike Jeffries ist eine Ausnahme. Wir beobachten schon länger eine Änderung in der Branche, in welcher die meisten Marken und auch große Modehäuser sich klar gegen den Trend der 90/60/90 aussprechen und verschiedenste Models, die lange keine 180 cm mehr groß sind, androgyn sind und keine makellose Haut haben… auf den Laufsteg schicken. Auch Abercrombie & Fitch bietet mittlerweile Petite und Plus Size Größen an.
Auch würde ich hier zwischen fairer und nicht fairer Modemarken gar keinen Unterschied diesbezüglich sehen, denn Nachhaltigkeit ist eine Lebenseinstellung und hat nichts mit den Körpermaßen der Kunden zu tun.
Zu uns: Wir vermeiden es in keinem Fall. Wir möchten, dass jede Frau sich egal woher, wie groß oder welche Größe sie trägt, sich wohlfühlt. Um das jedoch zu Erfüllen, vor allem für große Größen, Bedarf es an Erfahrung, Entwicklung und Veränderungen.
Adieu Cliché
Aktuell habe ich eher den Eindruck dass viel mehr Plus Size Models auf Modeshows, Plakaten und in der Werbung zu sehen sind als noch vor 1-2 Jahren. Und bisher hatte ich auch nicht den Eindruck, dass faire Modemarken es vermeiden würden, mit mehrgewichtigen Menschen assoziiert zu werden. Ganz im Gegenteil.
Die durchschnittliche Kleidungsgröße von Frauen liegt in Deutschland bei 42/44, doch Medien und Werbung vermitteln, dass der “Standard” in etwa Größe 36 ist. Wie wichtig ist das Thema Repräsentation vielfältiger Körpertypen? Und was tut ihr dafür?
Story of Mine
Das Thema Diversität ist absolut wichtig. Größe 36 ist kein Maßstab und sollte auch nicht als Standard kommuniziert werden. Für uns ist es wichtig, dass sich jede Person angesprochen fühlt und dass wir zeigen, wer alles Story of Mine tragen kann. Daher finden auch bei uns regelmäßig Mid Size und Plus Size Photo Shootings statt.
Adieu Cliché
Ich finde es enorm wichtig. Und genau, die meisten Frauen tragen eine 42/44, aber in unseren Köpfen ist noch fest verankert, dass die normale Konfektionsgröße eine 36/38 sein sollte. Nach der Geburt meiner Tochter hatte ich sehr damit zu kämpfen, dass ich nicht mehr in meine Klamotten passte und plötzlich eine 42/44 trage, obwohl ich meinen Körper eigentlich als „normal“ empfand.
Daher war mir für unsere Produkte sehr wichtig, dass alles locker geschnitten ist und man sich in unseren Teilen wohlfühlen kann. Sie sollen für jede Lebenssituation passen und vor allem jeden Körper. Für Photo Shootings haben wir meist ganz normale Frauen (aus Freundeskreisen oder auch auf der Straße angesprochen) – Frauen wie du und ich. Wir versuchen jeden Körper zu zeigen. Dennoch glaube ich, ist auch bei uns noch Luft nach oben. Niemand ist perfekt. Aber für mich gilt: Step by Step.
Les Sœurs
Es ist toll, dass sich aktuell das anerkannte Körperbild verändert. Wir hoffen, dass daraus mehr als nur der Trend “Diversität” wird, sonders, dass sich das langfristig einsickert und zur Normalität wird.
Wir arbeiten mit wirklichen Curvy Girls zusammen, die auch mal eine Größe 50 und nicht “nur” eine 40 tragen. Wir wollen echte Frauen zeigen und nichts vertuschen. Uns ist wichtig, dass das repräsentiert wird, weil wir nur so wir Schritt für Schritt unsere Sehgewohnheiten ändern können und auch jungen Menschen Mut machen können. Die Bildwelten müssen diverser werden.
Und der wichtigste Beitrag ist unsere tägliche Arbeit mit Kundinnen. Viel mehr als um das Styling geht es um Selbstbewusstsein und sich wohlfühlen im eigenen Körper.
Letzte Gedanken
Julia von Les Sœurs betont abschließend allgemeine Umstände, die unabhängig von dem Angebot an Übergrößen in der gesamten Modewelt die Nachfrage danach unterstreicht: “Unsere Kundinnen sind tatsächlich so verzweifelt, überhaupt schöne Mode zu finden. Grundsätzlich passende Mode in der richtigen Größe ist eine Sache. aber dann auch schöne! Da ist das Atrribut faire und nachhaltige wie ein Luxus on Top. So toll es auch ist, es spielt in der Suche nach passender, schöner Mode ist so groß eine untergeordnete Rolle. Der Mangel war einfach so lange so groß. Auch da ist die Entwicklung noch in den Anfängen und es muss noch einiges getan werden, dass es besser wird.”
Vielen Dank an Lisa von Story of Mine, an Kerstin von Adieu Cliché und an Julia von Les Sœurs.
Wer mehr über die Firmenphilosophie und natürlich den Produktion der drei nachhaltigen Modelabels erfahren möchte, kommt hier zu den entsprechenden Webseiten: