Fast jedes sechste Kind wird während seiner Schulzeit Opfer von Mobbing. Oft fängt es an mit Hänseleien, Sticheleien und blöden Kommentaren. Ausgrenzung und Abschottung von Freunden und anderen Mitschüler*innen sorgen dafür, dass die Betroffenen komplett alleine dastehen. Alle auf den Schwächsten, die Kleinste, auf die Kids, die am hilflosesten wirken. Aber wie wehrt man sich dagegen?

Szenen wie diese spielen sich auf Schulhöfen in Deutschland täglich ab: Schüler*innen schupsen, nehmen Handys weg, kippen Ranzen aus, verstecken Sportkleidung oder bewerfen andere mit Müll. Von dieser Extremsituation bekommen Lehrer und Eltern oft Wochen, Monate oder sogar Jahre nichts mit. Kinder und Jugendliche machen Mobbing unter sich aus. Und was in der Schule nicht ausgefochten wurde, wird heute in der digitalen Welt weitergeführt – fiese Kommentare, Hin- und Herschicken von unvorteilhaften Bildern und Videos. Der Albtraum geht weiter und verfolgt die Betroffenen sogar bis Nachhause, ins eigene Kinderzimmer. 

Cybermobbing

Unsere Kommunikation, und erst recht die unserer Kids, findet vielfach online statt. WhatsApp, Instagram, TikTok und Co. sind ihre Spielwiese, hier kennen sie sich aus, hier verbringen sie ihre Zeit. Kein Wunder also, dass sich auch das Mobbing vermehrt ins Netz verlagert. Denn genau wie auf dem Schulhof leidet auch hier jeder sechste Jugendliche unter Schikane und verbalen Angriffen. Ein entscheidender Faktor: Die Hemmschwelle der Peiniger*innen, im Netz um sich zu schlagen, ist nochmal wesentlich geringer. In der realen Begegnung gucken sie ihrem Opfer direkt ins Gesicht, auf Social Media spüren sie nicht einmal, dass sie gerade enormen Schaden und Schmerz verursachen. Das Dramatische: Dem Internet können Gehänselte nicht entfliehen. Sie sind 24/7 dem psychischen Druck durch Beleidigungen, Ausgrenzung und Schikane ausgesetzt. Gesundheitlich bedeutet Cybermobbing ein sechsmal höheres Risiko, psychisch zu erkranken.

Machtlose Eltern

Wenn die eigenen Kinder sich ihren Eltern gegenüber öffnen und von Mobbing-Attacken berichten, gehen Eltern oft genau den falschen Weg, um ihren Kindern zu helfen. Sie werden aktiv, üben Druck auf die Mobber oder die Eltern der Mobber aus. Kontaktieren Lehrer und verlangen Bestrafungen. Diese Reaktion ist nachvollziehbar, aber kann zu noch schlimmeren Ausmaßen des Ärgers zwischen den Involvierten führen. Opfer werden als „Petzen“ und „Weicheier“ beschimpft und ihr Hilfeschrei als Schwäche angesehen. Die Peiniger werden wütend, dass sie bestraft werden und der Albtraum geht weiter.

Laut Experten sind es vor allem die Lehrer*innen, die Mobbing durch frühes Erfassen und genaue Beobachtung am besten bekämpfen können. Sie haben die Aufgabe, die Kinder in ihren Klassen zu sensibilisieren und schon früh allen bewusst zu machen, dass Hänseln überhaupt nicht cool ist und man sich füreinander einsetzten muss, wenn Mobbing auftritt. Im Idealfall setzt sich dann die ganze Klasse für den Gehänselten ein, anstatt auf das Boot des Peinigers aufzuspringen. Ein fataler Fehler ist es hingegen, wenn Ausgrenzung von Lehrenden verharmlost wird. Der Grad zwischen Zickereien und Mobbing ist schmal.

Feingefühl zum Konter

„Halt! Stopp! Ich fühle mich gemobbt. Lass das sein, ich sage nein!“ – diesen Leitspruch gegen Mobbing lernen viele Kids schon im Grundschulalter. Ob das wirklich hilft? Eins steht fest, umso eher man seinen Peiniger*innen entgegentritt und ihnen zu verstehen gibt, dass diese es mit jemandem aufgenommen haben, der sich wehrt, destso besser. Konfrontation ist nie einfach, aber wer schweigt und die Tortur über sich ergehen lässt, hat nur wenig Chancen, dem Mobbing zu entkommen. Natürlich hilft es nicht immer zurückzuschlagen oder anzugreifen. Der Konter braucht Feingefühl. Selbstbewusstes Auftreten und beispielsweise die Frage, was der Mobber mit der getätigten Aussage denn eigentlich bewirken möchte, reichen manchmal schon, um im Gegenüber Verunsicherung auszulösen.

Vergeben und Vergessen

Im Reportageformat „STRG_F“ vom Norddeutschen Rundfunk hat sich ein ehemaliges Mobbing-Opfer auf die Suche nach ihren Peinigern gemacht. Das Erschreckende – die Verantwortlichen, die heute erwachsen sind, können sich nicht mehr daran erinnern, dass sie als Kinder ihre Mitschülerin schikaniert haben. Sie haben die Vergangenheit ganz anders abgespeichert und verdrängen ihr eigenes Verhalten unterbewusst. Also vergeben und vergessen? Natürlich nicht. Menschen, die unter Mobbing gelitten haben, haben gesundheitlich oft langfristig mit den Folgen ihrer traumatischen Erlebnisse zu kämpfen. Es ist bewiesen, dass die Stressbelastung, die durch Mobbing ausgelöst wird, negative Folgen für Körper und Geist hat. Anspannung, Übelkeit, Kopfschmerzen, Albträume, Depressionen oder sogar chronische Krankheitsverläufe können auftreten. Viele sind ein Leben lang mit Spätfolgen konfrontiert. 

Wenn ihr unter Mobbing leidet, findet ihr z.B. hier Hilfe: 08000 116 016