geschrieben von Janine Oswald @viergefährten
Es ist der 12. Mai 2016, als wir im gemieteten Van zu dritt mit unserer 2-jährigen Tochter am Strand in Portugal frühstücken. Dies ist unser erster Familienurlaub auf vier Rädern und, das wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, es wird nicht der letzte gewesen sein. Denn genau hier an der Algarve, um 8 Uhr morgens, mit panierten Sandfüßen und dem ersten Pastel de Nata in der Hand, wächst der Wunsch, genau so länger unterwegs zu sein …
Etwa zwei Jahre später machte sich unsere zweite Tochter auf den Weg und der Gedanke, unsere Elternzeit dieses Mal so richtig auszukosten und in dieser vor allem gemeinsam zu wachsen, wurde noch einmal entfacht. Wir schmiedeten Pläne und waren uns relativ schnell einig: „Wir machen das jetzt einfach. Ein Jahr Elternzeitreise, wir kommen.“
Wir kauften einen alten Feuerwehrbus und kündigten unseren Mietvertrag für unsere Hamburger Wohnung. Mein Mann baute Tag und Nacht an unserem baldigen Zuhause und unser Traum wurde langsam Realität. Der große Schritt für diese Reise wurde allerdings erst im Juni gelegt, als unsere zweite Tochter dann gesund und munter zu uns kam. Nun war auch ich bereit, mich weiterer Planungen zu widmen. In vier Monaten sollte es schon losgehen.
Dann war es endlich soweit: Anfang September rollten wir vom Hof, mit zwei kleinen Kindern und einer riesigen Portion Reiselust im Gepäck. Wo es hingehen sollte? Wir wussten es nicht, wir wollten uns treiben und überraschen lassen. Wir fuhren erst einmal drauf los, besuchten ein paar Freunde in Süddeutschland und reisten der Sonne hinterher. Durch Österreich, Schweiz, Italien, Frankreich, Spanien und Portugal. Wir lebten einige Wochen auf einer Farm und halfen dort bei der Ernte, wir trafen auf Gleichgesinnte, wachten nahezu jeden Tag woanders auf, schlossen Freundschaften und lernten, dass Pläne über Bord zu werfen ein wahres Geschenk ist. Wir reisten im Schneckentempo, doch es fühlte sich so wunderbar entschleunigend an.
Was nun nach einer sehr romantischen Reise klingt, war es nicht immer. Ich möchte die Illusion nehmen, dass solch ein Abenteuer immer nur aus Sonnenaufgängen und Kinderlachen besteht. Diese Reise ist Alltag. Ein manchmal anstrengender und organisationsbedürftiger Alltag. Irgendwann pendelt sich eine Routine ein – die trotzdem jeden Tag anders ist. Denn anders als zuhause gibt es auf Reisen die Anstrengung, sich jeden Tag neu zu sortieren, die Umgebung jeden Tag aufs Neue kennenzulernen. Für uns Eltern manchmal schon eine Herausforderung, aber für unsere größere Tochter ein wirklich einschneidendes Erlebnis: nicht so schnell wieder in bekanntes, vertrautes Gefilde zurückzukehren, gefundene Freundschaften nicht wachsen zu lassen, weil es wieder einmal „Abfahrt“ heißt. Es war manchmal schwer, sehr schwer sogar. Und doch überwiegten natürlich die positiven Erlebnisse!
Was uns diese Reise geschenkt hat, war Zeit. Die gemeinsame Zeit hat in meinen Augen noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommen. Denn wir waren die Zeit. Nur wir.
Nun blicke ich auf diese Reise zurück, möchte am liebsten morgen direkt wieder losfahren und denke an den wohl schönsten Satz meiner Tochter zurück: „Mama, ich möchte gern mit allen Menschen dieser Welt ein Picknick machen.“ Ich wünsche uns allen diese Sichtweise auf eine gemeinsame Welt, die erkundet werden möchte und mehr Miteinander und Füreinander braucht.
Nun steht unsere geliebte Feuerwehr vor unserem Haus und wartet nur darauf aus dem Winterschlaf geweckt zu werden. Denn die nächste Route Richtung Balkan wird schon geplant. Zuvor muss noch einmal ordentlich geschraubt und gebastelt werden, doch dann kann ich den warmen Fahrtwind in meinem Gesicht kaum erwarten.
Mehr von Janine – eine wunderbare Fotografin – findet ihr hier.