geschrieben von Katharina Seubert
Ich hatte schon immer eine ziemlich genaue Vorstellung von meinem „Glück“. Ich wollte heiraten, mich geborgen fühlen, Kinder bekommen und meine eigene Familie gründen.
Wir waren Anfang 20 und lernten uns im zweiten Semester kennen und lieben. Wir verbrachten sowohl in den Kursen als auch in unserer Freizeit jede freie Minute miteinander. Wir fingen an, uns ein Leben aufzubauen. Wir suchten uns bereits nach drei Monaten die erste gemeinsame Wohnung, arbeiteten nebenbei im gleichen Job und genossen das Wir-Gefühl. Nach drei Jahren Beziehung – wir waren immer noch Studenten – machte er mir nach meiner Schicht einen Antrag unterm Sternenhimmel.
So romantisch Antrag und Hochzeit auch waren, gab es rückblickend Dinge, die man als Zeichen hätte werten können. Mein Absatz brach mir bei der standesamtlichen Trauung ab, was für viel Wirbel sorgte, denn ich brauchte die Schuhe ja, die so perfekt auf mein Outfit für die kirchliche Trauung abgestimmt waren. Ich schreibe dies mit einem mulmigen Gefühl, wohlwissend, wie die „Geschichte“ endet, denn rückblickend hat es den Anschein, als wären wir häufiger über unsere eigenen Füße gestolpert.
Nach einem knappen Jahr wurde ich schwanger. Es war ungeplant, aber keinesfalls ungewollt. Ich war zu dem Zeitpunkt Mitte 20, kurz vor dem 1. Staatsexamen und überglücklich. Das Mama-Sein war mir in die Wiege gelegt und erfüllte mich, stellte mich aber auch auf eine große Probe, denn ich war zu dem Zeitpunkt schon sehr viel alleine, weil mein Mann neben dem Schreiben seiner Diplomarbeit Vollzeit arbeitete.
Hochschwanger beendete ich meine Zulassungsarbeit und quälte mich mehr oder weniger gut durch die Prüfungen. Ich habe mich damals nicht beschwert und möchte es heute auch nicht tun, denn wir hatten uns für ein gemeinsames Leben entschieden, wir entwickelten uns menschlich und beruflich weiter und ich spielte meinen Part. Für mich stand fest, dass wir, egal, was auch kommen mag, alles gemeinsam angehen würden.
Ich erinnere mich noch sehr genau an den Moment, als er meine Hand nahm und mir sagte, dass ich durch mein Examen gefallen sei. Es kamen Existenzängste hoch, würde es doch nicht leichter werden, wenn die Kleine agiler und mehr Aufmerksamkeit benötigen würde. Heute weiß ich, dass diese Zeit, meine Ängste, mein Zurückziehen, das Todesurteil für meine Ehe war. Aber es sollten noch etwa anderthalb Jahre vergehen.
Aus einer göttlichen Fügung heraus bestand ich im zweiten Anlauf mein Examen, bekam einen Referendariatsplatz und auch die Eingewöhnung meiner Kleinen in die Kita lief problemlos. Ich hätte glücklich sein sollen, aber ich hatte Angst, permanent. Ich zog mich zurück, ohne es wirklich zu merken. Aus dem Wir wurde ein Ich und Du. Es kam schleichend und ich merkte es nicht, denn ich war so in der Ausbildung gefangen, ausgelastet, einsam und am Rande meiner Kräfte. Und dann war da noch meine zweijährige Tochter.
Ich sah es nicht kommen. Es schlich sich ein. NEIN, die Liebe schlich sich weg und hinterließ neben der unendlichen Arbeit nur Schweigen, welches in Schimpfen und Wüten, Weinen und Verzweifeln überging. Eine Woche vor meiner Lehrprobe brach meine Welt zusammen und ich mit ihr – im Lehrerzimmer. Plötzlich waren wir nicht mehr zu dritt. Plötzlich waren wir nur noch zwei, wobei man mich nicht mehr als Person zählen konnte, denn ich war unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, funktionierte nur noch.
Ich hatte weder geschlafen noch gegessen und ziemlich viel abgenommen. Und dann noch die Lehrprobe. Ich hatte mit befriedigend bestanden und meinem Seminarlehrer eine schlaflose Nacht bereitet, weil der Entwurf so unterirdisch schlecht war. Von da an ist alles wie unter einem grauen Schleier. Es ist alles so unwirklich, wenn ich daran zurückdenke! Keine Ahnung, wie, aber es war geschafft. Das habe ich den Menschen zu verdanken, die einfach da waren und mich aufgefangen haben.
Auf dem Weg, mich zu verlieren, hat Max mich gefunden, die Scherben meines Selbst zusammengekehrt und wieder zusammengesetzt. Ohne ihn hätte ich das Referendariat nicht geschafft, ohne ihn hätte ich mich verloren und wäre noch nicht wieder glücklich, sondern wäre in meinem Unglück gefangen.
Ich hatte Glück im Unglück! Er ist das Beste, was mir in der schlimmsten Phase meines Lebens passieren konnte. Er ist unglaublich! Und natürlich hatte ich überhaupt keine Intention, mich jemals wieder zu verlieben, geschweige denn, jemandem mein Vertrauen zu schenken. Aber er war da, einfach so und ganz plötzlich in meinem Herzen. Man weiß erst, was man vermisst hat, wenn man jemanden gefunden hat, der einen perfekt ergänzt.
Es fällt mir schwer, in Worte zu fassen, wie sehr er mein Herz erwärmt und mir vom ersten Moment an Geborgenheit geschenkt hat. Ich war am Ende meiner Kräfte und er schaffte es, dass ich wieder schlief, dass ich aß und anfing, mich wieder wertvoll zu fühlen. Wir wollten beide keine Beziehung eingehen und haben uns dennoch verliebt. Wir trafen uns am 01. April 2016 und wollten beide nur etwas Spaß haben. Was soll ich sagen, aus einem Tag wurde ein Wochenende und aus den Nächten wurden Skype-Gespräche. Wir wurden langsam unzertrennlich.
Am 1. April 2019 heirateten wir und mein Eheversprechen fängt meine Emotionen wohl am besten ein:
I feel like I finally belong somewhere!
In einem unserer ersten Whatsapp-Gespräche habe ich gewitzelt, dass du es schon merken würdest, wenn ich deine Hand nehme.
Ich hatte nur “Unsinn” im Kopf und hätte mir nie erträumen lassen, dass ich dabei die Liebe meines Lebens finden würde.
***
Hättest du gewusst, dass ich ein paar Worte an dich richten wollte, hättest du dich unter Druck gesetzt gefühlt, weil du immer gleichwertig etwas zurückgeben möchtest. Aber heute bin ich diejenige, die etwas zurückgeben möchte.
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Ich liebe dich aus so vielen unterschiedlichen Gründen.
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ICH LIEBE DICH, weil…
… deinen Worten Taten folgen.
… du meinen Ehrgeiz weckst, mithalten zu können.
… du mich akzeptierst, wie ich bin, mit all meinem Wahnsinn.
… du mir das Gefühl gibst, etwas Besonderes zu sein.
ICH LIEBE DICH, obwohl du mich auslachst, weil Mathe nicht meine Stärke ist, du aber trotzdem die Geduld aufbringst, es mir immer wieder zu erklären und mir die Lösungen schreibst.
ICH LIEBE DICH, weil…
… du es schaffst, mir meine Ängste zu nehmen und das von der ersten Minute an.
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Ich kann dir nicht versprechen, dass ich dich nicht ab und zu in den Wahnsinn treiben werde,
aber ich kann dir versprechen, dass ich für dieses Gefühl, dass ich empfinde, wenn ich mit dir zusammen bin, immer kämpfen werde.
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Du warst zwar nicht mein erster Kuss, mein erster Freund oder meine erste Liebe, aber du wirst in allem der Letzte sein.
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Du bist die Liebe meines Lebens und mit dir ist alles so viel einfacher.
Ich freue mich auf all die Herausforderungen, die wir künftig noch gemeinsam angehen werden.
ICH LIEBE DICH VON GANZEM HERZEN!
Tim Benzko singt in einem seiner Lieder: „Ich gehe nicht rückwärts, ich nehme nur Anlauf.“ Und das habe ich getan. Mit Schwung in ein neues Leben, eine neue Stadt und eine neue Schule. Ich könnte glücklicher nicht sein und merke, wie ich nach all der Schufterei und Quälerei endlich wieder zu mir selbst gefunden habe und es nun endlich auch genießen kann.
Aus Unglück, Angst vorm Versagen und der Verzweiflung, nicht wertvoll genug zu sein, wurden: die Liebe meines Lebens, die Berufung als Lehrerin und die Wertschätzung für mich selbst. Ich hatte Glück, dass mein Leben nicht immer geradeaus ging, denn heute liebe ich nicht nur meinen Mann, sondern auch mich.