Das wohl beliebteste Textil, mit dem wir unsere Haut umgeben, ist die Baumwolle – eine Faser, die aus der Natur gewonnen wird. Zu denken, dass wir etwas Gutes tun, indem wir Baumwoll-T-Shirts mit der Aufschrift „conscious“ auf dem Etikett tragen, ist allerdings leichtgläubig. Denn die Naturfaser kann schon lange nicht mehr als natürlicher Rohstoff bezeichnet werden – Genmanipulation, toxische Düngermittel und Pestizide bestimmen den Baumwollanbau weltweit.
Zunächst möchte ich aber erst einmal klarstellen, dass dieser Artikel nicht als *erhobener Zeigefinger*, „ihr macht alles falsch und ich weiß alles besser“-Belehrungsvortrag fungieren soll. Oft werden Diskussionen oder Beiträge über einen nachhaltigeren Lebensstil nämlich genau als diese wahrgenommen. Ich für meinen Teil bin davon überzeugt, dass wir den Planeten nicht durch Belehrungen, sondern durch Aufklärung ein bisschen besser machen. Denn Aufklärung hat den wunderbaren Effekt, dass wir uns Wissen aneignen und selbst für uns entscheiden können, was wir dann mit diesem Wissen anstellen. Nun aber zurück zum Thema …
Baumwolle macht rund 30 Prozent des Weltfasermarktes aus. Die gesamte Textilindustrie trägt mit rund 1,7 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen und weggeworfener Kleidung im Wert von 400 Milliarden US-Dollar pro Jahr erheblich zur Belastung der Umwelt bei.
Sie werden als “Baumwollgürtel” bezeichnet
Die Beeinträchtigung, die der Anbau des Malvengewächses auf den Planten hat, hängt vor allem von dem WIE ab – hier wird zwischen einer konventionellen und einer biologischen Anpflanzung unterschieden. Konventionelle Baumwolle wird hauptsächlich in Indien, China und Pakistan angebaut. Die Malvenpflanze mag es warm und feucht und wächst daher hauptsächlich in tropischen oder subtropischen Ländern. Diese Anbaugebiete werden als “Baumwollgürtel” bezeichnet. Ein großer Teil der Baumwolle ist bereits im Saatgut gentechnisch verändert, um einen höheren Ertrag zu erzielen. Während der Wachstumsperiode werden die Baumwollfelder immer wieder mit synthetischen Düngemitteln und Pestiziden behandelt. Diese werden eingesetzt, um die Pflanze vor Insektenbefall zu schützen.
Noch bevor die Baumwolle überhaupt geerntet werden kann, ist sie und ihre Umwelt massiv verschmutzt worden. Chemische Düngemittel und der Einsatz von Pestiziden sorgen zwar dafür, dass die Pflanze besser gedeiht und mehr Baumwolle produziert, haben aber fatale Folgen für die Böden, Wasserquellen, Menschen und Tiere in der Umgebung. Da die Pflanzen durch die belastende chemische Behandlung kein Wasser mehr speichern können, werden pro Tonne konventioneller Baumwolle (je nach Niederschlag) etwa 4300 Kubikmeter Wasser benötigt, um sie am Leben zu halten. Und das in Ländern, die bereits mit Wasserknappheit zu kämpfen haben. So ist beispielsweise der Baumwollanbau dafür verantwortlich, dass der Aralsee in Usbekistan innerhalb von 50 Jahren von ca. 68.000 Quadratkilometern auf traurige 14.000 Quadratkilometer geschrumpft ist. Experten gehen davon aus, dass der See, der ursprünglich 120-mal größer als der Bodensee war, in zehn Jahren komplett ausgetrocknet ist.
Doch es geht auch anders – allerdings mit einem (erschütternden) Haken. Denn die zertifizierte und kontrolliert biologische Baumwolle, deren Anbau sich sehr viel umweltschonender verhält, macht tatsächlich nur rund ein Prozent des Weltfasermarktanteils aus. Nur wenn beim Anbau folgende Kriterien erfüllt sind, darf Baumwolle tatsächlich als „Bio“ bezeichnet werden: kein chemisch vorbehandeltes Saatgut, keine Mineraldünger, keine synthetischen Pestizide, keine Entlaubungsmittel bei der Ernte, Maßnahmen gegen Versalzung von Boden und Wasser, Erosionsschutz, Verbot der enormen Ausbeutung von Wasserressourcen.
Bio-Baumwolle wird vor allem in den USA, der Türkei und in Indien angebaut. Mischkulturen wie Mais oder Bohnen spielen im Bio-Baumwollanbau eine besonders wichtige Rolle. Der Verzicht auf die chemischen Düngemittel und die spezielle Fruchtfolge der Bio-Baumwolle sorgen dafür, dass der Boden fruchtbar bleibt. Außerdem kann die Pflanze Wasser länger speichern und verbraucht so weniger davon.
Fashion-Marken wie H&M und Co.
Nun zurück zu den am Anfang erwähnten „conscious“-Etiketten. Fast-Fashion-Marken wie H&M und Co. werben immer wieder damit, dass sie biologisch angebaute Baumwolle für ihre Kollektionen verwenden. Bereits 2014 erklärte der damalige Rohstoff-Manager, dass das schwedische Unternehmen schon seit einigen Jahren Bio-Baumwolle verwendet und viel Geld in die nachhaltige Baumwollproduktion investiert.
Wie viele Kleidungsstücke tatsächlich aus Bio-Baumwolle hergestellt und dann in den Läden verkauft werden, ist nicht nachvollziehbar. Klar ist aber, dass das, was nach einer radikalen Verbesserung in Bezug auf globale, soziale und ökologische Missstände klingt, von vielen Unternehmen als Verbesserung der Marktpositionierung genutzt wird und damit sogenanntes “Greenwashing” betrieben ist.
Was versteht man unter “Greenwashing”? Der Duden definiert den Begriff als “den Versuch (von Unternehmen, Institutionen), sich durch Geldspenden als besonders umweltbewusst und umweltfreundlich darzustellen, indem sie Geld für ökologische Projekte, PR-Maßnahmen o.ä. spenden“.
Unsere Haut ist unser größtes Organ
Dass große Fast-Fashion-Unternehmen auf diese Weise ihr Image aufpolieren wollen, liegt vor allem daran, dass die Branche stark in der Kritik steht, ökologische Faktoren zu ignorieren. Neben den umstrittenen Nachhaltigkeitskriterien der Unternehmen gibt es auch sozialkritische Faktoren. In Usbekistan arbeiten zum Beispiel viele Kinder auf den Baumwollfeldern. Um dem entgegenzuwirken, gingen H&M und andere Marken mit gutem Beispiel voran, indem sie einen Vertrag mit dem Responsible Sourcing Network unterzeichneten, dies künftig nicht weiter zu unterstützen. Eine Dokumentation von ORF III (2019) über den Baumwollanbau in Usbekistan zeigt dann aber, dass Baumwolle aus dem zentralasiatischen Land ohne Kennzeichnung in Indien ankommt, wo die Faser weiterverarbeitet werden soll. Noch unwirklicher ist, dass sie von H&M-Zulieferern in Produktionsstätten zu Kleidung verarbeitet wird. Das heißt, obwohl H&M sich vertraglich verpflichtet hat, aus sozialkritischen Gründen keine Baumwolle aus Usbekistan mehr für seine Kleidung zu verwenden, wird weiterhin usbekische Baumwolle für H&M eingekauft. Da diese jedoch unkenntlich gemacht wird und der Prozess schwer nachvollziehbar ist, lässt sich diese Tatsache leicht vertuschen.
Abgesehen von all den genannten Gründen, warum es mir nicht egal ist, welche Art der Baumwolle ich kaufe, ist der wohl naheliegendste, dass ich meinen eigenen Körper vor den Giften und Chemikalien schützen möchte. Unsere Haut ist unser größtes Organ. Sie bewahrt unser Inneres vor äußeren Gefahren – warum also sollten wir sie nicht genauso schützen? Laut verschiedenen Ärzten sind die Gifte in unserer Kleidung unter anderem hauptverantwortlich für Allergien und Ausschläge. Allein das ist für mich ein massiver Beweggrund, meinen Konsum langfristig umzustrukturieren. Ja, denn auch ich muss noch viel lernen und verstehen, dass sich das System nur ändern kann, wenn aus diesem einen Prozent Bio-Baumwolle noch viel mehr wird. Denn die Nachfrage bestimmt ja bekanntlich das Angebot, oder nicht?