Dieser Text entstand vor zwei Wochen. Vor unserem Urlaub, bevor mich meine Ängste eingeholt haben. Manchmal hat das Leben seine eigenen Spielregeln. Trotzdem möchte ich euch meine Gedanken, die ich vor dem Vorfall in Noordwijk aufgeschrieben habe, nicht vorenthalten.
Ich bin kein ängstlicher Mensch – würde ich behaupten. Na klar kommen öfters mal Sorgen hoch oder ich zerdenke etwas. Aber im Grunde leide ich nicht unter diesen Gedanken. Ich traue mir viele Dinge zu, manchmal zu viele. Und bin gerne am höchsten, die Schnellste und abenteuerlustig. Auch in meiner Schwangerschaft mit Alma habe ich mir wenig Gedanken darüber gemacht, was alles passieren kann. Habe mich in vielen Dingen sogar überschätzt, trug zu schwer, machte zu viel Sport, rutschte sogar aus. Ich lernte daraus und trage die Konsequenzen nun im Herzen. Gepaart mit all dem, was um mich rum in den letzten Jahren passiert ist. Denn mein Berufsrisiko ist ganz klar, dass ich oft Dinge erfahre, die mir und meiner Seele nicht immer guttun.
In der jetzigen Schwangerschaft regierte von Anfang an die Angst. Ich konnte gar nichts dagegen tun. Sie kam einfach hoch und verlässt mich eher schleppend. Mit dem positiven Test in der Hand kamen die bösen Gedanken in den Kopf. Ich ertappe mich jeden Tag dabei, in mich hinein zu horchen, ob denn wirklich alles gut ist. Heute, in der 16. Schwangerschaftswoche ist es schon besser geworden, auch wenn ich weiß, dass es für ein „Alles wird gut“ keine Zeitangabe gibt.
Eine Bekannte war vor zwei Jahren mit mir schwanger. Sie bekam quasi mit mir ihr Baby. Meins war gesund. Ihr Baby verstorben. Kurz vor der Geburt hatte das Herz aufgehört zu schlagen. Für mich, als frisch gebackene Mama war diese Nachricht so schrecklich, dass ich erstarrte und gar nicht wusste, wie ich damit umgehen soll. Ich wusste nicht, wie ich reagieren kann und versuchte einfach, nicht darüber nachzudenken, was alles passieren könnte.
Dann änderte sich die Thematik auf meinem Blog, ich erzählte immer wieder Geschichten von Frauen, denen schlimme Dinge passiert sind. Mit diesen Geschichten machte ich den Frauen, denen so etwas passiert ist Mut und gab ihnen ein wenig Kraft. Für mich sind diese Artikel auf meiner eigenen Plattform aber ein Wink, was alles passieren könnte.
Die Geburt von Alma war im ersten Moment nicht traumatisierend. Im zweiten Moment aber vielleicht doch. Ich habe es zwar nie als belastend empfunden, muss aber jetzt, in meiner zweiten Schwangerschaft feststellen, dass mich das Erlebte doch ziemlich beschäftigt. Die schwachen Herztöne, die rasche Einleitung, das ständige Blutabnehmen durch meinen Bauch um zu schauen, ob es Alma noch gut geht. All das ist im Moment so präsent, wie noch nie.
Jede Fliese, die ich betrete, laufe ich mit meinem kompletten Gewicht ab, ich rolle quasi über den Boden, weil ich große Angst vor einem erneuten Sturz habe. In meiner ersten Schwangerschaft war dieser der wohl schlimmste Moment meines bisherigen Lebens.
In meinem Kopf werden zurzeit so viele Kämpfe mit meinem Urvertrauen ausgetragen, dass ich mich oft wieder erden muss. Meine Frauenärztin sagte letztens zu mir, dass ich einfach immer daran denken soll, dass es viel öfters gut geht, als dass es nicht gut geht. Banal. Und dies probiere ich mir immer wieder vor Augen zu halten.
Vor meiner zweiten Schwangerschaft war ich mir eigentlich sicher, dass ich euch gerne schon vor dem vollendeten ersten Trimester, in dem so viel passieren kann, mitnehmen werde. Ich wollte mein Mantra der letzten Monate: „mit Tabus zu brechen“, selber ausleben und offen damit umgehen. Ich wollte euch eigentlich schon viel eher erzählen, dass wir ein zweites Baby bekommen und euch damit deutlich machen, dass man ruhig erzählen darf, wie man sich fühlt, was man gerade durchlebt und über große Freude oder tiefes Leid berichten. Ich hatte mir vorgenommen, dass ich überall das, was uns passieren könnte, reden möchte. Denn erstens rede ich gerne und zweitens finde ich, dass es furchtbar ist, wenn Frauen eingetrichtert wird, dass Verlust und Traurigkeit in unserer Gesellschaft keine Rolle spielen dürfen. Meine Schwiegermutter sagte mir, als wir ihr in der 8. Schwangerschaftswoche von dem Baby erzählten, dass das ja eigentlich ein wenig früh sei, die Schwangerschaft zu verkünden, da man ja bis zur 12. Woche wartet. Und ich finde diesen Gedanken komisch, denn die Entscheidung, wie Frau (und Mann) mit Freude und Verlust umgehen, soll doch wirklich jeder für sich entscheiden und beide Wege sollten in unserer Gesellschaft voll und ganz akzeptiert werden.
Doch, wie ihr wisst, habe ich doch gewartet. Nicht auf den Tag, an dem das erste Trimester vorbei war, sondern auf den Tag, an dem ich erfahren habe, dass es unserem Baby wahrscheinlich richtig gut geht. Ich konnte vorher nicht mit meiner Angst umgehen, die so präsent war, dass sie fast jeder sehen konnte, der mich kennt. Ich war in dieser Schwangerschaft so unsicher, ob alles gut geht, dass ich es erst schwarz auf weiß sehen musste, es verdauen musste und erst dann darüber mit der Öffentlichkeit sprechen konnte. Ein Schutz, den ich davor niemals für notwendig gehalten hätte. Doch meine Emotionen, meine Hormone, meine Furcht vor Dingen, die ich nicht beeinflussen kann, haben mich in den ersten Monaten richtig gelähmt und mir gezeigt, dass man viel planen kann, am Ende sollte man sich aber immer für sein Herz entscheiden.
Ich bin froh, dass ich euch heute von meiner Gefühlswelt berichten kann. Dass ich so langsam von den Gedanken, dass man nur einmal das größte Glück erfahren kann, wegkomme und die Schwangerschaft, das Glücksgefühl, dass es uns allen gut geht und das Leben mit zwei schlagenden Herzen in meiner Brust, genießen kann.