schwangerschaft Corona

geschrieben von Franzi Marx / @franzimarx

Alles im Wandel

Ich bin schwanger. Ja, manchmal kann ich es selbst kaum glauben, aber ich bin bereits fast in der 39. Woche schwanger, bekomme ganz bald ein Baby und bin dann wohl Mama. Eine Aufgabe, vor der ich irrsinnig großen Respekt habe. Eine, auf die ich mich freu wie Bolle und eine, die mich tierisch nervös werden lässt. Denn ist es nicht so, dass sich ab dem Zeitpunkt alles verändert? Ich mich verändere? Damit also auch Beziehungen und Freundschaften?

Ich glaube schon, dass das so ist. Alles ist im Wandel. Mein Körper, mein Fokus, Prioritäten, Gedanken und Sorgen, Wünsche und so einiges anderes. Vieles ändert sich schon mit dem positiven Schwangerschaftstest und der darauffolgenden Zeit. Dieser Gedanke kann irgendwie beängstigend sein, finde ich, und so habe ich die letzten Wochen oder eher Monate genutzt, um mir bewusst zu werden über das, was kommt. Und dabei ist mir eines ziemlich klar geworden: Es ändert sich nicht alles von einem auf den anderen Moment.

Mit dem Tag der Geburt meiner Tochter werde ich nicht plötzlich drei Freundinnen weniger haben oder selbst die schlechteste Freundin der Welt sein. Vielmehr sehe ich es als Tatsache, dass Freundschaften sich immer wieder stetig entwickeln – und das aus den verschiedensten Gründen: Zeit, Entfernung, gemeinsame Interessen oder Hobbies, Meinungen, Lebensinhalte. Die eine Freundin ist die hervorragende Wegbegleiterin durch die Schulzeit. Mit der anderen verkrachen wir uns, weil wir nicht mit auf die letzte Party gehen wollten. Der langjährige Kumpel aus der Krabbelgruppe meldet sich seit Studienbeginn nicht und die seit Ewigkeiten nicht gesehene Bekanntschaft stellt sich heute als enge Vertraute heraus. 

Unser Leben durchläuft verschiedene Stationen. An manchen halten wir, andere überspringen oder verschlafen wir. Mal steigt jemand aus, dann wieder ein. Was ich sagen will: Wir dürfen uns ändern, Freundschaften genauso. Das tun sie zwangsläufig und das muss gar nicht bedeuten, dass sie weniger wert waren, wenn sie heute nicht mehr existent sind, oder, dass sie an Qualität verlieren, sobald wir Eltern werden. 

Die Schwangerschaft als Chance

Meine Schwangerschaft hat mich als Menschen wachsen lassen, ich habe meine Sicht in vielen Dingen geändert. Ich werde bald eine neue, ziemlich große Rolle einnehmen – heute bin ich Tochter, Ehefrau, Tante, Cousine und Freundin. All das wird bleiben. Denn ich habe mir vorgenommen, weiterhin eine gute Freundin zu sein für die Menschen, die mir am Herzen liegen. Und ich bin der festen Überzeugung, dass das mit beidseitiger Empathie, mit Einsatz und Verständnis gelingen kann. Noch viel mehr sogar: Ich sehe die Schwangerschaft als Chance, dass Freundschaften neu entdeckt, ein Stück weit anders gelebt werden können.

Durch meine Schwangerschaft habe ich persönlich gelernt, mehr auf mich selbst zu achten. Ich nehme meinen Körper bewusster wahr, meine Bedürfnisse und Grenzen. Das ist ein Aspekt, der mir auch in gesunden Freundschaften zugutekommt. Ich achte mehr auf mich und das finde ich in zwischenmenschlichen Beziehungen wichtig – denn ich nehme mich selbst wichtig, ohne dabei egoistisch zu sein. 

Ich war lange Zeit (und kann mich wohl noch nicht ganz davon freisprechen) ein Mensch, der über seine eigenen Grenzen hinaus gegangen ist, um die vermuteten Erwartungen anderer, auch die von Freund*innen, zu erfüllen. In den letzten Jahren habe ich genau daran gearbeitet und so auch vermehrt während meiner Schwangerschaft. Ich habe mich um mich selbst gekümmert, auf mich selbst gehört – und so beispielsweise Verabredungen abgesagt oder verschoben, wenn es mir nicht gut ging. Ganz gleich, ob ich körperliche Beschwerden hatte oder schlicht einen schlechten Tag. Ich habe ehrlich kommuniziert, wenn mir ein Marktbesuch zu trubelig war und eine Alternative vorgeschlagen.

Gleichzeitig bin ich auch anderen gegenüber sanftmütiger geworden. Ich erwarte weniger, weiß Gesten und Kleinigkeiten mehr zu schätzen. Ich lerne. Zeige mich verständnisvoll. Mir selbst und andern gegenüber. 

Eine Schwangerschaft kann außerdem die Chance für neue Freundschaften sein, wenn man dafür offen ist. Du hast Lust, einen Yogakurs zu besuchen, um neue Kontakte zu Frauen herzustellen, die in einer ähnlichen Situation sind, wie du es bist? Deine Kollegin ist auch gerade schwanger und ihr knüpft ein engeres Band als das vorangegangene berufliche? Es gibt so viele Möglichkeiten, wenn man möchte. Und übrigens – wenn nicht, ist das ganz genauso in Ordnung.

Gute Mama, schlechte Freundin?

Es wäre zu einfach und auch zu kurz gedacht, wenn ich behaupten würde, ich müsse mich entscheiden und könne bloß eines von beidem – entweder der Rolle als Mama oder der als Freundin gerecht werden. Schon mein Leben lang erfülle ich verschiedene Rollen und vollkommen klar ist, dass ich mich nicht teilen kann. Das können wir alle nicht. Manchmal braucht eine einzige Aufgabe, ein einziger Mensch meine volle Aufmerksamkeit und Zeit. Manchmal schaffe ich es, zwei Dingen gleichzeitig gerecht zu werden und an wieder anderen Tagen ist es wichtig, dass ich mich auf mich ganz allein fokussiere. 

Wir alle stecken in verschiedenen Rollen. Mal hat die eine Vorrang, mal die andere. Sich eine Weile zurückzuziehen ins Wochenbett, halte ich für keine Schande, ganz im Gegenteil. Sich eine Stunde Auszeit zu nehmen für einen Kakao mit der besten Freundin, während der Kindesvater sich großartig um das Baby kümmert, ebenso wenig. 

Ein paar Ideen

Gesprächsthemen

Mit einer Schwangerschaft verändern sich meist auch die eigenen Interessen und Themen, über die wir uns Gedanken machen. So war es bei mir. Schwangerschaftsratgeber fanden Platz in meinem Regal, ich habe mich mit Babykleidung und Elternsein beschäftigt. Genau darüber habe ich auch mit meinen Freund*nnen gesprochen, sie mitgenommen auf meine Reise. Und gleichzeitig war es mir sehr wichtig, einen guten Mittelweg zu finden. 

Die Themen meiner Freund*innen, die nicht schwanger oder Eltern sind, haben mich weiterhin interessiert. So bleibe ich eine gute Zuhörerin. Ich nehme meine Interessen nicht wichtiger als ihre und versuche, ein Gespür dafür zu entwickeln, wer sich für Babykram begeistern kann und wer vielleicht auch nicht.

Familienalltag und/oder Freund*innen-Auszeit

Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine: Freund*innen in unseren neuen (Familien)-Alltag zu integrieren und sie daran aktiv teilhaben zu lassen. Und die andere: Raum für absolute Freund*innen-Zeit fernab des Baby-Alltags zu schaffen. Das Beste: Die eine Möglichkeit schließt die andere nicht aus. Ich jedenfalls nehme mir vor, sowohl die eine als auch die andere je nach Freund*in, Kapazität, Tagesform in Betracht zu ziehen. Ich möchte wählen und so eine Balance finden. Inwieweit das zu welcher Zeit umsetzbar sein wird – das lasse ich auf mich zukommen.

Mini-Updates

Meine Zeit wird bald für viele Menschen und Aktivitäten begrenzt sein. Mir wird vermutlich weniger Kraft zur Verfügung stehen, dazu kommen neue Aufgaben, Verantwortung und ein Alltag, der sich einpendeln muss – und Hormone. Das ist okay. Was ich mir vornehme, um mit Freund*innen weiterhin in Kontakt zu bleiben, sind Mini-Updates. Eine kurze Sprachmemo, ein Foto, ein Zwischenstand.

Erwartungen klären

Ehrlichkeit, Vertrauen und Kommunikation – für mich das Fundament einer guten Freundschaft. All das vereint und beruhend auf Gegenseitigkeit. Genauso, wie ich mich bemühen werde, weiterhin eine gute Freundin zu bleiben, so weiß ich, dass meine Freund*innen das ebenfalls tun. Sie werden es verstehen, wenn sie an einigen Tagen weniger von mir hören oder ich Treffen verschiebe, wenn anderes Vorrang hat. Dieses Wissen ist erleichternd. Seid ihr euch da nicht so sicher, sprecht mit euren Freund*innen. Klärt Erwartungen, die ihr an eure Freundschaft habt, um so einen guten Weg zu finden.

Was wirklich zählt

Ich möchte mir (und auch meinen Freund*innen) nicht aus Naivität vormachen, dass sich nichts ändern wird oder dass ich dieselbe bleiben werde. Denn die zukünftige Veränderung ist so sicher, wie es kaum mehr möglich ist. Genau das will ich annehmen, ohne negative Gefühle, sondern mit einer offenen, neugierigen Haltung. Ich bin gespannt auf das, was kommen wird. Auf die Mama, die ich sein werde, und die Freundin, die ich bleiben mag.

Update

Inzwischen hat Franzi ihr Baby bekommen und es geht allen gut. Sie ist gespannt, wie ihre Vorstellungen sich realisieren werden. Ihr könnt sie auf Instagram auf ihrer Reise begleiten.