Das wird kein Text á la „an seinen Kindern sieht man, wie alt man ist“. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was es für ein Text wird. Wahrscheinlich wird er kein Fazit haben und keinen roten Faden. Trotzdem brennt mir die Frage seit einer Woche im Kopf. Nicht auf der Seele und eigentlich ist es auch kein richtiges Thema, sondern eher eine Art Gedankenexperiment.
Es könnte sein, dass „sich Sorgen machen“ oder „sich Gedanken machen“ ansteckend ist. Kann es nicht? Könnte doch oder? Ich glaube schon. Wen hat es nicht schon mal Kirre gemacht, dass jemand anderes sich Kirre macht. So entsteht glaube ich auch Panik. Naja. Darum geht es auf jeden Fall nicht – glaube ich.
Wie kann man in der Schwangerschaft (ich sage das so selbstbewusst, weil ich immer noch die Meinung „wir sind schwanger“ vertrete) nicht an Zeit denken. Wie viel Zeit noch bis zur Geburt? Haben wir ein Drittel, die Hälfte, Dreiviertel, siebzehn Vierzigstel schon geschafft – oder noch vor uns? Was war noch mal SSW 23 und was die 23. SSW? Warum macht der Punkt so einen krassen Unterschied? Das verunsichert mich immer noch, obwohl es nichts anderes ist als der Punkt bei 19. Jahrhundert. Die Zeit wie wir sie kennen. Wie wir sie in Kalendern definieren, ist künstlich. Künstlich angelegt. Ein Schema und Raster. Das ausnahmsweise Mal funktioniert. Dachte ich.
40 Wochen sind keine 10 Monate
Die Schwangerschaft. Bevor wir schwanger waren, wurde mir immer erzählt, eine Schwangerschaft dauert beim Menschen 9 Monate. Nicht viel mehr und nicht viel weniger. Bei Pferden sind es um die 11. Das wusste ich auch noch. Super. Erste Erkenntnis: Es sind 40 Schwangerschaftswochen bei der modernen Frau. Menschenfrau. Nun heißt es: Die Schwangerschaft dauert 10 Monate und da geht es schon los! Klugscheißer Hörby (hier Person 1) und Gedankenmacher Hörby (hier Person 2) tun sich zusammen und lassen Hörby+Hörby nachts nicht mehr schlafen. Denn…
40 Wochen sind keine 10 Monate. Punkt. Kann mir keiner was! Wenn 40 Wochen 10 Monate sind, dann müssten November und Dezember sich jedes Jahr die übrigen 12 Wochen teilen! Richtig, weil das Jahr 52 Wochen hat. Ist also Quatsch. Ein Monat hat im Schnitt 30 Tage und nicht verdammt noch mal 28, was dazu führt, dass ich gerne Mal werdende Mamas aus dem Konzept bringe, wenn ich ihnen sage, dass Sie erst in der 22. SSW im 6. Monat sind und nicht in der 21. Ätsch. Darüber mache ich mir Gedanken! Während Nina, nachdem wir das mit dem Babymarktbesuch endlich erfolgreich gemeistert haben, nicht besser schlafen kann, sondern sich nun den Kopf über Mausgrau, Olivegrün oder doch schlichtes Schwarz zerbricht – anstatt über Joolz, Britax, Bugaboo. Aber das ist ein anderes Thema.
Nach dieser Erkenntnis hatte ich endlich meine Ruhe. Nicht. Ganz und gar nicht! Es ging erst richtig los. Ich fühlte mich an meine Kindheit zurück erinnert, in der ich mir oft Gedanken darüber gemacht habe, wie unfair es ist, wenn jemand im Januar Geburtstag hat und einer im Dezember. Das Fiese daran: Beide mussten in der gleichen Jahrgangswertung gegeneinander antreten. Ja in einigen Sportarten gibt es das und da heißt es nicht A-XY Jugend – für alle die, die es nie mit Ballsportlegasthenikern, wie mir zu tun hatten. Mit meinem Geburtstag im Juli war ich da also eigentlich ganz gut dran.
Die Uhr des Frühchens tickt schon
Aber das Thema Frühchen und Geburtseinleitung ließ es mich schließlich so richtig auf die Spitze treiben. Bleiben wir beim Sport: Wenn die Antretenden sagen wir mal Jahrgang 2007 sind, ist der eine mit seinem Geburtstag im Januar ganze 10% älter als der andere. Klingt unfair oder? Ist es auch: Ein Jahr weniger körperliche Entwicklung. Ein Jahr weniger Körpergröße. Ein Jahr später Pubertät und, und, und. Aber was ist, wenn der aus dem Dezember jetzt auch noch ein Frühchen war? Sagen wir er ist 12 Wochen zu früh auf die Welt gekommen. In der 28. SSW. Er musste sich in seinem kleinen Brutkasten 3 Monate abrackern, um einen Entwicklungsstand zu erreichen, den die anderen Faulenzer, die es sich noch bei Mutti im Bauch gemütlich machen, gar nicht für nötig halten. Der Unterschied: Die Uhr des Frühchens tickt schon! Zumindest aus unserem Verständnis heraus. Das verfolgt ihn nun sein Leben lang. Zumindest seine jungen Jahre. Denn prozentual sind die 3 Monate ab einem bestimmten Alter dann wirklich zu vernachlässigen. Aber in der Jugend? Er wird mit Gleichaltrigen verglichen. Gleichaltrig vom Geburtstag her, nicht von der Entstehung. Er wird vielleicht bemitleidet, weil er erst mit 12 Monaten etwas geschafft hat, was ein anderes Kind, was am Geburtstermin auf die Welt kam, schon mit 9 Monaten geschafft hat. Dabei sind die beiden doch gleich alt! Der Eine war nur von seiner Lebenszeit 3 Monate länger in seinem Kängurubeutel, anstatt an der frischen Luft.
So. Mit dieser Vorstellung fühle ich mich nun, als hätte ich die Relativitätstheorie auf eineinhalb DIN A4 Seiten gequetscht und sehe dies als den ins Rollen gebrachten Stein für die Bewegung „für faires Alter“, von der ich überhaupt keine Ahnung habe, wie sie funktionieren soll. Denn wer kann schon sagen, bei welchem übereinander herfallen der Knirps oder die Knirpsin entstanden ist. So stelle ich hiermit alles wieder infrage und revidiere meine Theorie noch bevor sie ausgesprochen war.