geschrieben von Anna Verburg, Young Dumb Family 

12:53 Uhr, benommen sah ich einen schreienden Kopf zwischen meinen Beinen und realisierte langsam: Ich hatte es wirklich geschafft. Unser Sohn erblickte in seinem Kinderzimmer das Licht der Welt. 

Alles auf Anfang. Mit meiner ungeplanten Schwangerschaft war ich anfangs erstmal damit beschäftigt, meine Ängste zu verarbeiten. Bis zu dem Tag, als ich mich auf das „Lama Jam“ (ein kleines privates Festival) mitten im Nirwana des Sauerlandes verirrt hatte und zufällig auf Sabine (Riffelmann) traf. Eine Hebamme, die selbst zwei Kinder hat und dieseZuhause gebar. 

In einer Runde erwähnte ich, dass ich am liebsten zur einer Hausgeburt tendiere. So kamen wir ins Gespräch, ihr Zuhause war nur einen Katzensprung entfernt und sie gab mir Bücher zum Thema „selbstbestimmte Geburt“ mit. So verließ ich das Lama Jam, und mit im Gepäck war der Same, den wir für unsere Hausgeburt gepflanzt hatten.

Darauf folgten Wochen vieler Tränen und Frustration. Mit jeder Hebammen-Absage und jedem Konter wurde der Wunsch größer, und in meinem Kopf gab es schon längst keine andere Option mehr. Ich wollte eine Hausgeburt. Um jeden Preis. Krankenhaus war nur eine Option im Notfall. Ich war schwanger und nicht krank. Warum sollte ich ins Krankenhaus „müssen“? Wochenlang schien es so, als hätte ich keine Wahl, den Ort für die Geburt meines Kindes selbst zu bestimmen. 

Eine Hebamme für eine Hausgeburt zu finden, ähnelt der Suche nach dem Goldenen Ticket von Willy Wonka,und wenn es so weiter geht mit den Versicherungsbeiträgen für die Hebammen, wird es eher ein endloses Warten auf den Brief aus Hogwarts. 

Doch dann hatte ich Glück! Mein GoldenesTicket hieß Yvonne Kolbe. In der 25. SSW  hatte ich endlich jemanden, der mich bei meiner Hausgeburt begleiten würde. Ab dem Zeitpunkt waren auch all meine Ängste verflogen und ich freute mich ehrlich gesagt auf die Geburt. 

Wie die Hausgeburt verlief? 

Kein Schichtwechsel, niemand war da, der meinte, meinen Körper besser zu kennen als ich, und keine Unsicherheit darüber, ob man die einzige Gebärbadewanne im Krankenhaus bekommt – sondern ein vertrautes Umfeld, eine ganze Wohnung voll mit Platz zum Gebären, und Vertrauen lag in der Luft. Toller Ort für einen Geburtstag. Nicht wahr? 

Die Geburt war gewaltig. Es war alles andere als leicht, aber schon vor der Geburt legte ich meinen Fokus nicht auf die anstehenden Schmerzen. Mein Antrieb – oder sollte ich eher sagen Mantra – für die Geburt war: Ich möchte, dass unser Sohn ohne Schmerzmittel und in seinem Tempo zur Welt kommt. 

Dieses Mantra hielt mich bei Kräften, als ich glaubte, nicht mehr zu können, als ich nach stundenlangen Wehen einfach nur müde und erschöpft war. Dann war da dieser Punkt, an dem ich dachte, dass ich es nicht packe, da sprach meine Hebamme mir Mut zu. Irgendwann übermannten mich die Hormone. Krasses Zeug, das sage ich euch. Ich war so benommen, dass ich nicht mal mehr wusste, wo vorne und hinten war. Kennt ihr diesen Zustand, wenn ihr merkt, zu viel getrunken zu haben, in dem ihr realisiert, wie benommen ihr eigentlich seid und sich das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, breitmacht? 

Hausgeburt
Hausgeburt

Das war ein anderes Benommensein. Ich war nicht mehr da, aber etwas in mir wusste ganz genau, was es tat. Mein Verstand hatte Platz gemacht für die Urkraft in mir, die ich zuvor nicht gekannt hatt. Seit dem Tag kenne ich erst meine wirkliche Stärke, und das verdanke ich größtenteils diesen zwei Hebammen. 

Wisst ihr, was für mich pures Glück bedeutet? Eine selbstbestimmte Geburt. Mein weiblicher Körper, der keine Geburtsverletzungen erlitt und fast wieder aussieht wie vorher. Mein Sohn, der so super mit mir zusammengearbeitet hat. Mein Partner, der vom ersten Moment hinter meinem Wunsch von einer Hausgeburt stand. Die zwei Hebammen, die mir geholfen haben, meinem Weg zu gehen, als mich der Rest meines Umfelds für verrückt erklärte. Und die wundervollen Erinnerungen von diesem Tag, die Sabrina mit ihrer Kamera festgehalten hat. 

Hausgeburt

Wisst ihr was? Wäre ich im Krankenhaus gewesen, wäre meine Geburt in die Kategorie „dauert zu lange“ gefallen. Wahrscheinlich wäre ich geschnitten worden und sie hätten meinen Sohn mit der Glocke holen müssen. Doch Yvonne gab uns die Zeit, die wir brauchten, sprach uns Mut zu und wusste uns immer mit ein paar Griffen zu helfen. 

Deswegen kann ich nur sagen: Hausgeburt? Was ein Glück! 

P.S.: Oft werden wir gefragt, ob wir in Zukunft etwas anders machen würden. Ganz klar: unserer Nachbarin Ohrstöpsel schenken.

Foto Credit: Sabrina Lin