Geschrieben von Jacqueline Wirner

Und ich träume mich ins Ausland. Raus aus Deutschland. Raus aus diesem Scheißkaff, in dem ich seit über 20 Jahren festhocke. Von dem ich Kopfweh kriege. Und Pickel. Weil alles so verdammt gleich ist. So verdammt kleinbürgerlich und bürokratisch. Zum Kotzen. Und deshalb will ich weg. Lieber schon heute als morgen. Doch wo soll ich hin? Wo kann ich glücklich werden? Mir doch egal, Hauptsache nicht hier. 

Ciao Kakao!

Möglichkeiten gibt es viele. Schließlich hänge ich, wie es sich für einen ordentlichen Millennial gehört, den ganzen Abend auf Netflix rum. Schaufel mir dafür extra Zeit frei, verzichte auf Sport. Dadurch haben sich nicht nur meine Augen geweitet, sondern auch mein Horizont. Von Serien weiß ich, dass Südkoreaner risikobereit sind, Amerikaner guten Kuchen backen und Skandinavier eine hohe Mordrate haben. Eine Entscheidung zu treffen, wo ich in Zukunft leben möchte, sollte mir also nicht allzu schwerfallen. 

Die Wohnung ist schließlich schon aufgelöst, unsere Jobs gekündigt und die Familie bei einer fetten Fete ein letztes Mal gedrückt. 

Naja, nicht ganz. Denn was in meinem Kopf super easy funktioniert, hat im echten Leben doch seine Tücken. Schließlich bin ich, wie wahrscheinlich die meisten Deutschen, ein Gewohnheitstier. Damit verkörpere ich eigentlich genau das, was ich an diesem Land so hasse. Wie soll also ausgerechnet ich auswandern? Ich? Die Twenty-something-Mama aus Mittelfranken, die ihren Kaffee mit viel Milch trinkt (und nein, ich werde den Mandel-Vanille-Milchersatz nicht probieren), auf geregelte Uhrzeiten steht und schon immer iOs auf allen Geräten benutzt. Komm mir bloß nicht mit Android, bäh. 

Außerdem mag ich unsere Wohnung ziemlich gerne, vor allem die großen Fenster. Meinen Job will ich sowieso behalten, den kann ich nämlich ganz gut. Unsere Familie? Würde ich sicher arg vermissen! Und trotzdem, hier hält mich nichts. Kein sauber sortierter Supermarkt. Und auch nicht Omas Krautwickel. Ich muss hier weg. Den Kopf frei kriegen, eine neue Perspektive einnehmen. Durchatmen. 

Mit Kompromissen…

Schwierig nur, dass ich diese Entscheidung nicht für mich alleine treffen kann. Ich bin verheiratet, habe ein Kind. Und egal, was ich vom Leben erwarte, muss ich verschiedene Bedürfnisse berücksichtigen. Ich kann also nicht einfach abhauen. Alles stehen und liegen lassen, auf Konsequenzen pfeifen. 

Doch trotzdem will ich diesen Traum nicht aufgeben. Diesen Traum, irgendwo neu anzufangen. Wie gut, dass Roger Cicero – Gott hab ihn selig – die Kompromisse erfunden hat. „Du wolltest Gottschalk, ich wollte Sport, wir guckten Tatort.“ Oder: „Du wolltest Malediven, ich wollt mal allein, wir blieben daheim.“ Aber daheim bleiben? No way, keine Option! 

Es muss eine bessere Lösung geben, wenn ein Partner auswandern will – und der andere halt nicht. Und wenn man ganz fest hinschaut, dann findet man die auch. Diese Lösung nennt sich Bye Bye auf Zeit (Begriff von mir erfunden) und basiert im Wesentlichen auf dem Abkommen, für ein paar Monate in einem anderen Land zu leben. Ohne Wohnung oder Job zu kündigen. Und ohne die Familie für immer zurückzulassen. 

Wie das gehen soll? Na, mit Elternzeit. Die werden wir uns in den nächsten zwei Jahren noch einmal nehmen und dann, glücklich zu dritt, nach Kopenhagen ziehen. Für drei Monate, oder vielleicht vier. Wer weiß das schon. Fakt ist aber, dass wir wieder heimkommen werden. Heim, in dieses wunderbare und bürokratische Deutschland, das uns diese Reise erst ermöglicht. Zum Glück, ey.

P.S. Ich glaube, dass die Skandinavier in Wahrheit ganz harmlos sind.