„Begib dich mit der heilenden Meisterpflanze und schamanischen Klangreisen in deine Tiefenheilung“, so beschreiben Christian Kelly und sein Team ihre Zeremonien. Meisterpflanze, schamanisch, Zeremonie?! Bitte was?
Christian bietet gemeinsam mit seinem Team von „Ayahuasca in Deutschland“ geführte Zeremonien zur Bewusstseinserweiterung an. Während des Wochenend-Retreats nehmen die Teilnehmer an einer Kakao-Zeremonie teil, lauschen der Musik eines Klangheilers und trinken gemeinsam einen aus der syrischen Steppenraute gebrauten Pflanzensud. Was danach folgt, ist beinah filmreif: Ruhe, Erbrechen, Visionen, Erleuchtung.
Was auf den ersten Blick wie ein Gruppendrogenrausch aussehen könnte, ist jedoch unter einer gewissen Voraussetzung in Deutschland legal: Dem Pflanzensud darf kein zusätzliches DMT beigemischt sein, denn das fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz. Bei Schamanen Südamerikas wird der Ayahuasca-Tee ursprünglich „zum einen aus der Caapi-Liane und zum anderen aus den Blättern der DMT-haltigen Pflanze Chacruna“ gebraut, so Christian Kelly auf seiner Website. Doch wirkt Kellys „Ayahuasca light“ denn genauso wie ihre Urahnin aus dem Amazonasgebiet?
Lieber Christian, was war dein letztes Reiseziel?
Berlin, meine Herzensstadt, in der ich meine wilden 20er (heute bin ich Mitte 50) als Philosophiestudent und Lebenskünstler verbracht habe (im grauen Westberlin der 1980er Jahre).
Nun erst einmal zu dir: Wer bist du?
Ich heiße Christian Kelly und bin mit einer Irin verheiratet, daher der irische Nachname, den ich einst angenommen habe. Schon immer war ich ein Suchender und ein Fragender und ein Reflektierender, aber auch zugleich gefangen in alten Traumata und Ängsten, die mir den Weg zu wirklicher innerer Freiheit verwehrt haben.
Was ist Ayahuasca in fünf Worten für dich?
Eine heilige Pflanzenmedizin zur inneren Heilung und Befreiung. Der britische Psychiater Humphry Osmond prägte einst – im Briefwechsel mit dem britischen Schriftsteller Aldous Huxley – für diese und andere bewusstseinserweiternde Substanzen den so treffenden Begriff der „Psychedelika“, zu Deutsch: „Seelenöffner“. Ayahuasca hat mir die Seele oder mein Herz geöffnet und mich in den tiefen Abgrund meiner selbst blicken lassen, um am Grund unter dem Schutt meiner Ängste und negativen Glaubenssätze mich selbst und meine Lebensfreude und inneren Frieden zu entdecken.
Wo hast du Ayahuasca kennengelernt?
Als lesender Mensch in einem Buch über den erfolgreichen Einsatz von MDMA (Ecstasy) in der Psychotherapie. Dort gab es auch einen kleinen Abschnitt über Ayahuasca, das in einer südamerikanischen Klinik zur Behandlung von Suchtkranken und Depressiven – ebenfalls mit großem Erfolg – eingesetzt wird.
Was waren deine ersten Gedanken dazu und wie lange hat es gedauert, bis du es probiert hast?
Auf Anhieb war ich, der sich schon als Student mit Naturphilosophie beschäftigt hatte, fasziniert von der Idee, dass eine Pflanze – ausgestattet mit einer Art eigener Intelligenz – ein derart in die Tiefe reichendes Heilungspotential für Menschen besitzt. Nach etwa drei Monaten intensiver Beschäftigung mit diesem Thema habe ich es dann gewagt, an einem Ayahuasca-Retreat teilzunehmen.
Wie läuft eine Zeremonie bei euch ab?
Wir beginnen unsere über zwei Nächte und Tage gehenden Retreats immer mit einer Kakao-Zeremonie zum Ankommen, Akklimatisieren in der Gruppe und zur ersten Herzöffnung. So gehen die Teilnehmer*innen dann schon viel entspannter in die Ayahuasca-Zeremonie des folgenden Abends, und die Pflanze kann so tiefer und stärker wirken.
Sehr viele Teilnehmer*innen müssen sich übergeben. Wieso?
Ja, es kann natürlich zum Erbrechen kommen, was wir nicht mit einem herkömmlichen Erbrechen vergleichen sollten, da es als Befreiung und innere Reinigung („la purga“) von körperlichem und seelischem Ballast empfunden wird.
Hat Ayahuasca dich näher zu dir selbst bzw. zu deinem tiefen Inneren gebracht?
Ja, wie schon, gesagt: Ich habe mich von sehr tiefsitzenden Ängsten und Traumata befreien dürfen, an die ich mit aller Reflexion und Psychoanalyse der Jahre zuvor nicht gelangt war. Das war – was meine beiden ersten Zeremonien betrifft – ein sehr schmerzhafter und tränenreicher Prozess, aus dem ich aber mit sehr viel mehr innerem Frieden und innerer Freude und Freiheit hervorgegangen bin. Dazu gehörte aber – das betonen wir in unseren Retreats immer wieder – meine eigene Mithilfe: eine Änderung des Lebensstils mit mehr Bewegung, mehr Schlaf, weniger Stress, einer möglichst pflanzlich-vollwertigen Ernährung und regelmäßigem Meditieren. Die Pflanze öffnet einem also die Tore zu einem tieferen (oder höheren) Bewusstsein, aber hindurchgehen und es ins tägliche Leben mit Achtsamkeit integrieren muss man es schon selbst. Das ist immer ein lebendiges Wechselspiel von Pflanze und Mensch und keine Einbahnstraße.
Fühlst du dich seit deiner ersten Erfahrung verändert?
Ja, allein die Tatsache, dass ich keine Lust mehr auf Alkohol habe, dem ich jahrzehntelang mehr als mir lieb war zugetan war, war und ist eine Riesenveränderung. Ich war ein Geselligkeits- und Gewohnheitstrinker und fühle mich so viel besser – körperlich und psychisch –, seit ich darauf verzichte, ohne dass mir irgendetwas fehlt.
Eine große innere Zufriedenheit und Gelassenheit und vor allem auch Dankbarkeit sind seitdem meine bestimmenden Befindlichkeiten. Und trotzdem gibt es immer wieder Situationen im Alltag, wo ich noch ungeduldig oder mit Ärger unwirsch reagiere. Aber ich erkenne das jetzt, schaue es mir an und hafte nicht mehr daran fest. Das ist ein großer Fortschritt, bleibt aber ein lebenslanges Ziel Richtung noch mehr Achtsamkeit und Geduld gegenüber mir selbst und anderen.
Was sagt dein Umfeld dazu?
Mein Umfeld hat sich sehr geändert. Den vielen alten Trink-„Freunden“ haben ich Adieu gesagt, was zum Teil schmerzhaft, aber notwendig war. Insofern habe ich nun mehr Menschen in mein Umfeld gezogen, die offen gegenüber Ayahuasca sind, auch wenn sie selbst es noch nicht gewagt haben. Mein ältester Freund ist und bleibt zwar ein wenig skeptisch gegenüber Ayahuasca, da er ein Anhänger der westlichen (Natur-)Wissenschaften ist. Aber seit auch diese immer mehr in validen empirischen Studien herausfinden, welch großes therapeutisches Potential Ayahuasca (in Bezug auf die Behandlung von Depression, Süchten aller Art und Ängststörungen) birgt, wird auch er immer neugieriger und interessierter – zumal er die positiven Veränderungen an mir bemerkt hat.
Wie kamst du zur Gründung von „Ayahuasca in Deutschland“?
Schon im Laufe der ersten fünf bis zehn Zeremonien, an denen ich teilgenommen habe, reifte in mir die Idee und bald der immer konkretere Wunsch, selber Ayahuasca-Zeremonien zu veranstalten. Aber ich traute mir die Leitung alleine nicht zu. Erst die Begegnung mit einem wunderbaren (Neo-)Schamanen und Musiker und Klangtherapeuten, der seit 20 Jahren selbst Ayahuasca-Zeremonien in Spanien anbietet und den ich für meine Zeremonien begeistern und dann gewinnen konnte, ließ meinen Traum Wirklichkeit werden.
Ich bin dennoch in meinem Hauptberuf als Lektor weiterhin tätig und kann das wunderbar mit meinen einmal im Monat stattfindenden Ayahuasca-Zeremonien verbinden.
Ganz rational betrachtet: Wie würde dein Leben ohne Ayahuasca aussehen?
Ob man das so „rational“ beantworten kann, bezweifle ich, zumindest ist es sehr hypothetisch. Ich glaube, dass es auch und gerade schwere Zeiten und Krisen sind, die einen im Leben weiterbringen, weil sie einem vor Augen führen, was im Argen liegt und geändert werden will. Insofern hat mich eben jetzt mitten in einer tiefen Lebenskrise und scheinbar ausweglosen Sackgasse, in der ich stecken zu bleiben drohte, die Pflanze Ayahuasca gerufen und mir den Weg aus dieser Sackgasse gewiesen. Finden und gehen musste (und durfte) ich ihn dann selbst. So würde ich vielleicht ohne Ayahuasca noch immer in dieser Sackgasse herumirren und weiter verzweifelt nach dem Ausweg suchen, der am Ende direkt zu mir selbst geführt hat.
Kannst du dir noch ein Leben ohne die Reisen in dein Inneres vorstellen?
Da muss ich ein wenig ausweichen: Ich will es mir schlicht nicht vorstellen. Denn sie haben mein Leben in einer zu schönen Weise bereichert und tun es mit jeder Reise erneut. Jetzt aber andere Menschen auf diesen spirituellen Reisen begleiten zu dürfen, sie gut auf diese vorzubereiten und auch darin zu unterstützen, anschließend ihre Erkenntnisse und Erlebnisse ins tägliche Leben zu integrieren – das empfinde ich als großes Glück und Geschenk des Lebens, für das ich unendlich dankbar bin.
INFO:
Wie wirkt Ayahuasca?
Die Samen der Steppenraute enthalten reines und stark konzentriertes Harmalin. Der Wirkstoff hemmt das Enzym Monoaminooxidase (MAO), welches im Gehirn dafür zuständig ist, Serotonin, Dopamin und Noradrenalin abzubauen. Der MAO-Hemmer sorgt dafür, dass diese Hormone im Körper bleiben. Sie erzeugen das Gefühl von Glück und Leichtigkeit. Harmalin als MAO-Hemmer aktiviert außerdem das körpereigene DMT. Dieses DMT wird als „drittes Auge“ verstanden und ist für deine Bewusstseinserweiterung verantwortlich. In unseren Zeremonien schulen wir dich, deine Erfahrung auch in den Alltag zu integrieren. Die Syrische Steppenraute ist absolut legal und eignet sich optimal für therapeutische und heilende Zwecke. Auch bei Virus- und Infektionserkrankungen (wie COVID-19) zeigt sich die Syrische Steppenraute als entzündungshemmend. Sie kann also zum hoch wirksamen Schutz deines Immunsystems beitragen.
Quelle: „Ayahuasca in Deutschland“