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Gastbeitrag

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,

Hallo Frau Merkel,

ich bin eine ganz normale Frau. Eine Frau mit einem Kind, einem Job und einem Mann. Meine Tochter ist 2 Jahre alt, besucht seit einem Jahr die Krippe. Mein Mann arbeitet Vollzeit, ca. 80 % im homeoffice und die restliche Zeit ist er auf Dienstreisen im In- und Ausland.

Ich arbeite zur Zeit, bis Ende diesen Monats, noch Teilzeit in Elternzeit mit nur 30h. Ich mache nebenbei noch meinen Master bzw. bin ich fast fertig. Ab Mai arbeite ich dann wieder Vollzeit mit 40h. Wobei die beiden letzten Berichte für meinen Master grad auf Eis liegen, ich wüßte nicht woher ich grad die Zeit dafür nehmen sollte.

Wir haben uns gerade ein Haus gekauft, haben also einen ziemlich hohen Kredit abzubezahlen. Schon allein deshalb müssen wir beide arbeiten. Es ist keine Villa, nix besonderes, einfach nur ein Reihenhaus mit einem kleinen Garten, aber für uns finanziell gerade so zu stemmen.

Wir arbeiten beide gern, wollen uns beruflich weiterentwickeln, haben in unsere Bildung und Weiterbildung investiert, weil wir etwas erreichen wollen.

Beide in Vollzeit ist eine Herausforderung, für die wir nach Lösungsmöglichkeiten gesucht haben, ohne Familie vor Ort und ohne unsere Tochter jeden Tag bis nachmittags um 17 Uhr in der Krippe zu lassen. Wir hatten einen Plan. Es wäre nicht einfach geworden, aber es wäre zu stemmen gewesen.

Das war vor Corona.

Mittlerweile sind wir beide seit 6 Wochen im homeoffice. Seit 6 Wochen ohne Kinderbetreuung. Seit 6 Wochen fahren wir auf Dauerlast, versuchen unserem Job gerecht zu werden, unserem Kind gute Eltern zu sein und zumindest eine gewisse Basisreinlichkeit aufrecht zu erhalten. Sport? Zeit für sich? Zeit zu zweit? Das ist ein Luxus, den wir uns zur Zeit nicht leisten können. Dafür streiten wir. Weil wir beide überlastet sind. Heute wollte ich kündigen. Geht natürlich nicht.

Meine Personalabteilung hat auf die Frage nach Entlastung geantwortet, ich könnte ja Teilzeit arbeiten (zur Erklärung: ich arbeite im Konzern und ich bin außertarifliche MA, daher greifen Möglichkeiten, die es im Tarif geben würde für mich nicht). Ganz toller Vorschlag. Weniger Einkommen, Entwicklungsmöglichkeiten dahin und für den angestrebten Aufgabenwechsel auch alles andere als vorteilhaft. Aber so sieht sie aus, die Realität in einem gleichberechtigten Deutschland. Vielen Frauen bleibt derzeit gar nichts anderes übrig, als entweder zu kündigen oder die Stunden runter zu fahren. Denn Mann verdient ja meistens besser und da ist es ja nur logisch, wenn Frau sich um die zusätzlich anfallenden Familienaufgaben kümmert und runterfährt. Interessanterweise bleibt diese Logik auch erhalten, wenn Frau nicht weniger verdient.

Ich könnte auch versuchen einen Platz in der Notbetreuung zu ergattern. Mich als Schlüsselfunktion von meinem Arbeitgeber bestätigen zu lassen. Aber das Kind und letzten Endes uns alle einer Gefahr aussetzen, bei der man aktuell noch überhaupt nicht überblicken kann, wie groß sie ist? Gibt es sie, die Langzeitschäden? Und auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs nicht hoch ist – will man das riskieren?

Und gleichzeitig sind da die Sorgen um die Entwicklung der Tochter? Ihr fehlen ihre Freunde – das kann sie durchaus schon artikulieren – ihr fehlt der Spielplatz, das Schaukeln, der Kontakt zu anderen. Nach ihrer Erzieherin fragt sie mittlerweile nicht mehr, das war nur in den ersten Wochen eine tägliche Frage. Jaja, uns geht es viel besser als zum Beispiel den Spaniern. Aber vielleicht ist das, was in Spanien gerade passiert, auch einfach unverzeihlich.

Und natürlich geht es uns besser als vielen anderen, die in einer kleinen Wohnung ohne Balkon leben, die krank sind, oder die sich vermehrt um ihre Verwandten sorgen müssen. Das ist alles richtig. Aber wir zählen auch. Wir sind auch wichtig. Und wir fühlen uns allein gelassen. Die Wirtschaft bekommt finanzielle Unterstützung, warum nicht wir? Nur weil wir im homeoffice arbeiten können, heißt das nicht, dass es machbar ist, auf längeren Zeitraum homeoffice und Kinderbetreuung zu stemmen. Es heißt nicht, dass das gesund ist, das es eine kindliche Entwicklung fördert, das Familien das aushalten müssen.

Corona Elterngeld oder die Möglichkeit, sich privat zu organisieren und so zumindest die Kinderbetreuung zu erleichtern und gleichzeitig den Kleinen soziale Kontakte zu ermöglichen, wären Ansätze, die zumindest mal durchdacht und diskutiert werden sollten. Aber anscheinend sind wir noch nicht mal auf der Agenda.

Aktuell findet diese Diskussion, wenn überhaupt, nur am Rande statt. Wir brauchen aber bald Lösungen und nicht erst nach den Sommerferien.

Lieben Gruß

Eine ganz normale Frau