Es ist ein Thema, was ich gerne bespreche. Wirklich gerne. Vielleicht, weil es so viele Meinungen gibt. Weil man seine Meinung oft ändert (so war es bei mir auch mal). Aber vielleicht auch, weil ich oft entsetzte Blicke ernte. Dieser Text bekommt den Arbeitstitel: Betrug beginnt beim Lügen. Und das beschreibt ganz gut, um was es gehen soll, denn heute will ich erklären, wie ich zu der Entscheidung gekommen bin, dass Sex mit anderen toleriert werden kann.

Ich liebe meinen Mann. Weiß er. Weiß ich. Und doch ist da etwas, was uns beiden klar ist. Wenn wir den Wunsch haben, mit jemand anderem Sex zu haben, können wir das sagen. Und zwar ohne Knall. Tür zu. Tschüss. Das wars.

Es ist vielleicht zwei Jahre her, da hatten wir ein Gespräch à la: „Kannst du dir vorstellen, für immer so zu leben?“ Dieses „so leben“ war auf unser gut funktionierendes Liebesleben bezogen, das wir damit in Frage stellten. Aber nicht das Heute davon, sondern eher das Morgen. Ich erklärte meinem Mann, dass ich mir nicht vorstellen könne, dass ich nie wieder Sex mit einem anderen Menschen haben würde und wir redeten darüber. Er verstand, was ich sagen wollte und stimmte mir zu… ja, vielleicht tat er das in dem Moment, weil er meine Sichtweise verstehen wollte und nicht, weil es seine war. Aber das Ergebnis war, dass wir immer wieder darüber sprachen. Darüber, was passieren kann und darüber, dass wir irgendwann einmal unsere Beziehung öffnen könnten. 

Partnerschaft = Verständnis

Eine offene Beziehung zu führen, wäre für mich absolutes Neuland. Denn in meinen früheren Beziehungen war die Monogamie der Inbegriff des glücklichen Zusammenseins. Glücklich war ich aber nicht und mein Partner mit mir ebenso wenig. Das lag jetzt nicht nur daran, dass wir uns treu waren, aber das hat es nicht besser gemacht. Ich hätte es mir damals nicht vorstellen können, dass ich es okay finde, wenn mein Mann sich anderweitig umschaut. 

Doch mit den Jahren ist viel passiert. Ich habe einige offene Beziehungen kennengelernt, habe viel darüber gelesen, reflektiert und bin zu der Erkenntnis gekommen, dass es überhaupt gar nichts bringt, meinen Partner und SEINE Sexualität als meinen Besitz anzusehen. Im Gegenteil: Je freier mein Partner sich fühlt, desto besser kann es für mich sein. Ich wünsche mir für meine Partnerschaft ein Gefühl von Vertrautheit, Verständnis, Empathie und Zusammenhalt. Das kann nur funktionieren, wenn beide Parteien sich gehört, gesehen und geschätzt fühlen. 

Achja, die Eifersucht

Das größte Problem an dem Konzept „offene Beziehung“ ist bekanntlich eins: Eifersucht. Etwas, von dem ich mich auch nicht freisprechen kann und ich denke, dass ein gewisses Maß an Eifersucht angebracht sein kann. Eifersucht zeigt nun mal auch, dass der Mensch einem wichtig ist und man ihn nicht verlieren will. Aber Eifersucht ist nicht eins mit Sex. Für mich. Eifersucht beginnt für mich, wenn mein Partner etwas heimlich macht (und ich es herausfinde). 

Letztens hatten wir so einen Moment mit einem befreundeten Paar. Aus dem Gespräch entstand die Frage, ob man es verzeihen könnte, wenn der Partner fremdgeht. Die beiden sagten schnell, dass das gar nicht gehen würde und das Allerschlimmste wäre, dann wäre die Beziehung sofort beendet. Hörby und ich schauten uns an und verkniffen uns beide ein Lachen. Als wir unseren Freunden sagten, dass wir das anders sehen, fragten sie uns, was bei uns nicht stimmen würde…

Keine rote Karte

Ich für mich drehte das eher um, denn warum schmeißt man alles Schöne weg, wegen etwas, das man anscheinend wirklich dringend möchte, das eine Lücke ausfüllt oder die Folge aus anderen Problemen ist? Meiner Meinung nach wäre der Moment des Fremdgehens, der, an dem sich das Paar eher fragen sollte, wieso es dazu gekommen ist? Wieso spricht man nicht miteinander? Wo will man eigentlich hin? Denn ja, Sex mit jemand anderem bedeutet nicht im gleichen Zuge, dass man sich gegen den Partner entscheidet. Nicht zwangsläufig. 

Ich schreibe hier wirklich theoretisch, ich selber habe keine Erfahrungen mit diesem Modell. Ich weiß nur, dass ich nicht vom Stuhl fallen würde, wenn mein Mann mich morgen fragt, ob er Sex mit einer anderen Frau haben kann. Ich würde mit ihm darüber sprechen. Soweit ich eben Details haben möchte. Jetzt, in unserer aktuellen Situation würde ich mir wünschen, dass wir noch zu zweit bleiben, nur für uns, da unser Leben anstrengend und hektisch ist. Es wäre für mich auch okay, wenn das erstmal lange noch so bleibt, aber wenn es für meinen Mann nicht mehr okay wäre, würde ich ihm keine rote Karte vor das Gesicht halten. Die würde ich ihm viel eher zeigen, wenn er Angst davor hätte, mit mir über seine Wünsche zu sprechen und etwas ohne mein Wissen tut. 

Gemeinsam Lösungen finden

Meine Community fragte ich vor Kurzem, ob sie schon einmal die Fantasie hatten, mit einem anderen Partner oder einer anderen Partnerin Sex zu haben und das obwohl sie in einer (glücklichen) Beziehung sind. 80 Prozent (knapp 9000 Leute) sagten „ja“ – sie hatten schon einmal den Wunsch nach einem ganz konkreten anderen Partner oder andere Partnerin, den oder die es in ihrem Leben gab. Eine Wahnsinnszahl, wie ich finde. Noch wahnsinniger finde ich dann die Idee, dass die Allerwenigsten darüber mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin, einem der wichtigsten Menschen in ihrem Leben, sprechen und Lösungen suchen und finden. 

Die Sorge, dass aus dem Sex mit einer anderen Person mehr entstehen kann, hängt nach, auch bei mir. Na klar habe ich Angst, dass mein Partner sich mal in eine andere Partnerin verliebt. Ehrlich gesagt habe ich sogar Angst, dass ich mich mal in einen anderen Menschen verlieben könnte, und das, weil ich die jetzige Beziehung so schön finde. Ich denke aber, dass man das Verlieben durch Sex, den man mal enttabuisiert (im wahrsten Sinne), eher umgeht, als diesen immer spannender und gefragter zu machen. Sich von seinem Partner zu entfernen, beginnt für mich also beim Verbieten. Sich als Paar zu stärken, beim Erlauben. 

Wann auch immer – und auch, wenn es für immer theoretisch bleibt.