geschrieben von Yavi Hameister
Yavi ist Autorin, Bloggerin, Frau, Mutter, ein Vorbild – für viele. So auch, wenn es um die Vereinbarkeit des Mutterdasein und des Jobs geht. Lest selber…
Seit der Schwangerschaft treffe ich mich mit einigen Müttern aus dem Geburtsvorbereitungskurs und es ist einfach toll, unsere Babys in allen Alters- und Entwicklungsstufen zu erleben. Mittlerweile sehen wir uns aber seltener, denn in Schottland ist es üblich, nach einigen Wochen postpartum wieder arbeiten zu gehen. Aus unserem Mutticlub sind also die meisten schon wieder back to work und es ist hier die normalste Sache der Welt. Wie in vielen andere Ländern auch.
Und in Deutschland? In Deutschland wird aus diesem Thema eine große Nummer gemacht und man wird von vielen anderen (meist nicht arbeitenden) Müttern abwertend angeschaut und auch gern verbal attackiert, wenn man wieder arbeiten möchte – auch nach einem Jahr Elternzeit. Dann kommen meist Aussagen wie „Ja wozu bringt man denn Kinder auf die Welt, wenn man sie ein Jahr später an fremde Leute abschiebt?“ Eine Frechheit. Abgesehen davon, dass ich es unmöglich finde, andere Mütter für ihre Lebenswünsche zu verurteilen und sich das Recht herauszunehmen, fremde Lebenspläne zu kritisieren, sollte meiner Meinung nach viel mehr Wertschätzung für die Entscheidungen anderer Mütter herrschen. Und dafür, dass einige Mütter keine andere Wahl haben, als früh zur Arbeit zurückzukehren – die finanzielle Lage nimmt ihnen die Entscheidung ab.
Bin ich eine gute Mutter?
Ich sage: Eine gute Mutter ist eine gute Mutter, wenn sie tut, was sie erfüllt. Wenn sie lebt, wie sie schon immer gern gelebt hat oder leben wollte, wenn sie ist, wer sie wirklich ist, wenn sie ihre Zufriedenheit ausstrahlt und somit auch ihrem Kind ein gutes Vorbild ist. Und vor allem: wenn sie in der Lage ist, ihre freie Zeit mit dem Kind so intensiv wie möglich zu nutzen, mit ihren Gedanken ganz bei ihm zu sein und mit bestem Gewissen sagen zu können: ich bin in diesem Moment zu 100 % da und nicht woanders. Auch nicht gedanklich.
Bestes Beispiel ist der eigene Partner, der in der Regel Vollzeit arbeitet und das Kind sowieso selten zu Gesicht bekommt. Findet irgend jemand von euch, dass dies der Beziehung zum Kind geschadet hat? Bei uns ganz und gar nicht. Mein Mann hatte anfangs die Sorge, dass sein Sohn Schwierigkeit haben würde, ihn wegen seiner vielen Abwesenheit wiederzukennen und sich zu binden. Und nun? Lias ist furchtbar vernarrt in seinen Vater und rastet emotional jedes Mal aus, wenn er ihm begegnet. Ja sie sind sogar unzertrennlich und das, obwohl mein Mann sehr viel arbeitet. Neulich, als wir ihn nach einigen Stunden der Trennung (er war mit seiner Oma unterwegs) wieder abholten, ist Lias sogar an mir und meinen weit geöffneten Armen vorbei und schnurstracks zu meinem Mann gekrabbelt. Schmerzlich und unglaublich schön zu gleich. Denn es zeigt, wie nah sich die beiden sind und dass letztlich wohl vielmehr die Qualität der gemeinsamen Zeit über das Wohlergehen des Kindes und die Beziehung des Kindes zur Bezugsperson entscheidet, als die Quantität.
Ich bin, wie ich bin
Ich wurde zur Selbstständigkeit und zu Fleiß erzogen, und nur, weil mein Mann genug Kohle nach Hause bringt, will und werde ich mich niemals darauf ausruhen. Dafür habe ich nicht studiert und mir in diversen Jobs den Arsch aufgerissen. Arbeit ist neben Familie, Freunden, Sport und Vergnügen der fünfte Baustein meines persönlichen Glücks und die Definition meines idealen Lebenskonstrukts. Ich fühle mich vollständig, wenn all diese Dinge im Einklang sind und lasse mich nicht beirren, wenn jemand diese Philosophie in Frage stellt. Es ist mir egal, wenn jemand meint, es sei verwerflich, alle 2-3 Wochen für einige Stunden eine Babysitterin ins Haus zu holen, um arbeiten zu können. Oder wenn Lias 2-3 x die Woche für eine Stunde in der Babybetreuung im Fitnessstudio ist (die er wohlgemerkt abgöttisch liebt), damit ich etwas für mich tun kann. Und es wird mir auch egal sein, wenn andere Mütter meinen, ein Kind mit 1,5 Jahren in die Kita zu geben sei unverantwortlich. Denn ich weiß, wie viele Liebe und Aufmerksamkeit mein Kind von meinem Mann und mir und von all den Menschen in seinem Umfeld bekommt und solange ich sehe, dass es ihm gut geht, gehe ich weiter diesen für mich guten Weg.
Genauso akzeptiere ich auch die Entscheidungen jeder anderen Mutter, auch der, die sich gegen das Arbeiten und komplett für die Familie entscheidet. Denn wenn es das ist, das sie erfüllt, hat sie alles richtig gemacht. Und sie ist vor allem in der Lage, dieses Selbstbewusstsein, die Stärke und die Fähigkeit, seinen eigenen Weg zu finden und gehen zu wollen, an ihre Kinder zu vermitteln. Und ist das nicht nun mal der Kernpunkt einer guten Erziehung?
Was will dein Kind?
Und überhaupt: Wieso wird nicht auch auf das Bedürfnis und den Charakter des Kindes geschaut, bevor einfach entschieden wird, 3 Jahre bei seiner Mutter zu sein sei der beste Weg? Vielleicht sollten wir alle vielmehr danach gehen, was unser Kind braucht, und das lässt sich sicherlich nicht pauschal beantworten. Wenn ich Lias und die Kinder in meinem Umfeld beobachte, sehe ich enorme Unterschiede. Während die einen sehr mit ihrer Mutter verbunden und von ihrer ständigen Anwesenheit abhängig sind, fühlen sich andere Babys “on tour” und mit viel Kontakt zur Außenwelt am wohlsten.
Solch ein Kind ist Lias. Extrem kontaktfreudig, abenteuerlustig, gesellschaftsbedürftig. Er liebt es, Menschen um sich herum zu haben und blüht auf, wenn er im Mittelpunkt ist. Seine größte Begeisterung gilt übrigens anderen Kindern und wenn er in der Babybetreuung im Fitnessstudio ist, höre ich anschließend nur, wie viel Spaß er hatte. Und wenn wir mal einen Tag nur zu zweit und Zuhause sind, was oft genug vorkommt, ist er unausgeglichen und dementsprechend auch seine Laune.
Warum sollte man also solch ein Kind für 3 Jahre zuhause mit seiner Mutter einsperren? Und was ist falsch am regelmäßigen Kontakt mit anderen Kindern? Und gleichzeitig: Warum sollte man ein Kind, das das absolute Gegenteil von meinem ist, zu früh zur Trennung von der Mutter und zum täglichen Zusammensein mit vielen anderen Kindern und Betreuern forcieren?
Ich möchte arbeiten – und stehe dazu!
Mein Mann sagte neulich an der Haustür auf dem Weg zur Arbeit, wie gern er jetzt bei uns bliebe. Ich erwiderte: “und ich würde jetzt gern für einen ganzen Tag ins Büro gehen”. Ich schäme mich für solche Aussagen nicht. Denn jede von uns Müttern hat ihre Bedürfnisse und während die meisten sich einen Tag im Spa, beim Friseur oder Shopping wünschen, sehne ich mich manchmal nach einigen Stunden Arbeit am Stück. Nur mein Hirn und ich. Geistige Herausforderungen. Ziele. Erfolg. Nur ein paar Stunden ohne Lias, den ich ja trotz allem abgöttisch liebe und schmerzlichste vermisse, wenn er nicht bei mir ist. Aber dem ich mehr meiner Liebe geben kann, wenn ich mich und mein Leben liebe. Wenn ich auftanken kann. Wenn ich zufrieden und erfüllt bin. Und nicht verbittert.
Ich habe mit der Arbeit – im weitesten Sinne – bereits 2 Monate nach Lias’ Geburt begonnen. Ich habe diesen Blog aufgesetzt, beschäftige mich mit Texten, so, wie ich es schon immer gemacht habe, denn Schreiben ist meine Leidenschaft UND mein Beruf. Ich bin Journalistin und ich möchte das auch in Zukunft bleiben. Und wenn Lias schläft, nutze ich jede Sekunde für’s Schreiben oder jegliche andere Art von Arbeit. Ich setze mich nie zur Ruhe, lege mich nicht hin oder schaue nicht fern, denn Arbeit ist für mich Erholung, Erfüllung, Glück. Mein Weg.
Und wenn Lias wach ist, ist Feierabend. Genauso, wenn er einen schlechten Tag hat. Zahnt, krank ist. Dann sitze ich nicht am Laptop und ich bin selten am Handy. Ich binde ihn zwar in meinen Alltag ein, er begleitet mich im Haushalt, beim Treffen mit Freunden, Erledigungen, aber ich bin zu 100% Mutter. Und zwar eine verdammt glückliche. Und wenn ich Lias anschaue, sehe, wie er vor Energie und Freude nur so platzt, glaube ich, dass auch er glücklich ist. Dass er ein wenig von meiner Lebens- und Arbeitsfreude abbekommt. Dass ich alles richtig mache.
Bin ich eine gute Mutter?
Und dennoch gibt es Momente des Zweifels. Und dann weiß ich nicht, ob ich richtig entscheide, ob ich eine gute Mutter bin. Ich spreche über diese Gedanken offen mit meinem besten Freund aka. Ehemann, der einmal gesagt hat: “Du bist bei weitem nicht perfekt, aber wenn du etwas in absoluter Perfektion beherrschst, dann das Muttersein.” Die Bestätigung eines Menschen, der mich tagtäglich mit Lias erlebt, ist in den Momenten des Zweifelns und Strauchelns enorm wichtig und verschafft mir Sicherheit und Stabilität. In solchen Gesprächen werde ich wieder daran erinnert, wer ich bin. Und mir werden all meine positiven Eigenschaften aufgezeigt, nämlich die, die mich zu einer guten Mutter machen. Eine gute Mutter nach UNSERER Definition – jeder sollte seine eigene bestimmen. Am besten mit dem Partner und mit dem eigenen Gewissen.
Ich habe mir eines Tages eine Testfrage überlegt, die mir bei Zweifel und der Frage nach “Richtig oder Falsch?” helfen soll, auch dann, wenn ich gerade nicht mit meinem Mann sprechen kann. Ich frage mich dann: “Tust du das, was du gerade tust, mit reinem Gewissen?” Wenn ich diese Frage ohne auch nur einen Moment zu Überlegen mit “Ja” beantworten kann, ist alles gut. Wenn ich mir nicht sicher bin, versuche ich herauszufinden, was mich irritiert. Beispiel: Lias und ich spielen gemeinsam und ich bemerke, wie ich nebenbei gedanklich meine To Do’s sortiere und in einem Anflug von Panik ganz unruhig werde und mich am liebsten sofort ans Laptop setzen würde, um die To Do’s abzuarbeiten. DAS fühlt sich für mich falsch an und wenn ich mir da die Frage stelle, ob ich in dem Moment mit “reinem Gewissen tue, was ich gerade tue” – nämlich mit Lias zusammen sein und spielen – müsste ich sie mit “nein” beantworten. In solchen Augenblicken versuche ich sofort wieder umzuswitshen – aus der Rolle der arbeitenden Frau in die Rolle der arbeitslosen Mutter – und mich wieder zu 100 % auf Lias zu konzentrieren. Als Mutter mit der Fähigkeit, Arbeit von Familie zu trennen und in beiden Bereichen zu 100% da zu sein, sie aber niemals zu vermischen. Und wisst ihr was? Kein Problem. Ich kann das. Das macht mich in meinen Augen zu einer guten Mutter.
Meine Zukunft
Was ich aktuell tue, Bloggen, betrachte ich als Arbeit und als Vorspiel meiner beruflichen Zukunft. Ein “mit einem Fuß im Business bleiben”. Was ihr tagtäglich seht, ist hier und da mal ein Post, bei Instagram oder auf dem Blog, aber was ihr nicht seht, ist meine kontinuierliche Arbeit an meiner Zukunft als Journalistin. Welche Projekte ich aufstelle, welche (Business-) Pläne ich schmiede, was im Konkreten passieren soll, wenn Lias groß genug ist, um mehrmals die Woche einige Stunden ohne mich zu sein. Vielleicht in einem halben Jahr. Ich spreche darüber erst, wenn der richtige Augenblick gekommen ist, aber so viel darf ich euch schon sagen: mama moves ist erst der Anfang eines langen, glücklichen Marathons als arbeitende Mama.
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Für Deutschland muss man etwas differenzieren. Im Osten ist es ja beispielsweise auch sehr normal, dass Mütter nach einem Jahr wieder arbeiten gehen und das sogar meist Vollzeit. Auch könnte ich mir einen Unterschied in Westdeutschland zwischen Großstädten und ländlicheren Gegenden vorstellen. Auf jeden Fall scheint dieses Thema vor allem westdeutsche Mütter zu beschäftigen – vielleicht weil häufig die eigenen Mütter nicht erwerbstätig waren und das Vorbild fehlt.
Crazy, dass das immer noch unterteilt wird und Auswirkungen auf die Lebenssituationen hat.