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Trockener Husten, Fieber, Fuck! Bitte lass es nur eine sich anbahnende Erkältung sein und nicht die ersten typischen Symptome des Coronavirus. Anzeichen einer möglichen Erkrankung sind bereits Grund genug zu Sorge, denn die Folgen einer Infektion können verheerend sein. Leider ist die Angst vor einer Ansteckung bei Weitem nicht mehr die einzige Belastung dieser Tage. Neben dem Bangen um die eigene Gesundheit und die unserer Liebsten, kann die blanke Existenznot dazu kommen.

Laut der Nachrichtenagentur Reuters rechnet die Bundesregierung dieses Jahr mit circa 2,35 Millionen von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten. 33 bzw. 40 Prozent weniger Lohn zu bekommen, kann besonders bei Arbeitnehmern mit niedrigem Einkommen schon dazu führen, dass es am Monatsende weniger als knapp wird. Auch in Teilzeit Arbeitende, darunter viele Eltern, sind durch die geringeren Einnahmen stark benachteiligt.

Auf der anderen Seite gibt es auch Menschen, die arbeiten könnten, aber nicht die nötige Zeit dafür haben. Die Kindergärten und Schulen sind nun seit mehr als fünf Wochen geschlossen. Glücklicherweise gibt es immerhin für Eltern in systemrelevanten Jobs eine Notbetreuung, doch alle anderen müssen Homeschooling oder die Betreuung der Kita-Kinder in den Alltag integrieren. Weniger Zeit zum Arbeiten kann zu Verdienstausfällen führen, sodass es auch in diesen Familien finanziell kritisch wird.

Vor einigen Wochen versorgten wir uns mit Bastelutensilien, druckten fleißig Ausmalbilder aus und sammelten auf Pinterest Kinderaktivitäten, bis die Ordner überquollen. Die Devise: unsere Kleinen bestmöglich zu beschäftigen, um irgendwie eine kurze Auszeit zu bekommen. Für Me-Time? Schön wäre es! Für viele von uns ist von zu Hause arbeiten angesagt. In den großen deutschen Städten wie Berlin oder Hamburg liegt der Anteil der im Homeoffice Arbeitenden laut Statista bei rund 45%. Rein rechtlich gesehen, darf ein Arbeitgeber keinen Arbeitnehmer mit festgelegter Betriebsstätte anweisen ins Homeoffice zu gehen, sondern es bedarf der Zustimmung des Mitarbeiters und es müssen die benötigten Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt werden. Soweit so gut, aber da die Betreuungs- und Ausbildungsstätten unserer Kinder geschlossen sind, haben wir gegenwärtig keine andere Wahl, als sie selbst zu beschäftigen und nebenbei unseren Job von daheim zu erledigen. Homeoffice, here we go!

Da würde man doch gern in einem systemrelevanten Bereich arbeiten, da könnten wenigstens die Kinder für ein paar Stunden in die Notbetreuung und zumindest der Arbeitsalltag wäre normal.

Es ist jedoch ein Trugschluss, dass es Eltern in systemrelevanten Berufen durch die Notbetreuung per se einfacher hätten. Die Kinder können in den Kindergarten oder in die Schule, das stimmt, jedoch nicht immer in ihre gewohnte Umgebung, mit ihnen fremden betreuenden Personen – und wie sind die allgemeinen Lebensumstände? Zum Teil dürfen die Eltern die Einrichtungen der Notbetreuungen nicht betreten und müssen ihre Kinder an der Türschwelle abgeben. Hier ist das Kind, Tschüss. Keine Umarmung nach dem Umziehen, kein an manchen Tagen doch so dringend benötigter Kuss nach dem Verabschieden, sondern eine harte, schnelle Übergabe. Nicht jedem Erzieher, nicht jedem Elternteil und erst recht nicht jedem Kind fällt das leicht, doch die aktuelle Lage erlaubt es nicht anders. Anschließend geht es schnell zur systemrelevanten Arbeit, die unter Umständen mit einem höheren Infektionsrisiko und vielen Überstunden verbunden ist. Kann das als Normalität bezeichnet werden?

Was bedeutet eigentlich systemrelevant? Kurz gesagt: Ohne diese Berufe und Personen würde die Gesellschaft nicht funktionieren. Das sind nicht nur die dringend benötigten Arbeitskräfte im Gesundheitswesen, sondern auch viele andere Bereiche beispielsweise beginnend beim Transport- und Verkehrswesen über Lebensmittelversorger bis hin zur Energiewirtschaft und noch einige mehr, die unser System am Laufen halten.

Insgesamt hat die Pandemie für die Wirtschaft fatale Folgen, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geht in vielen Bereichen von einem „nahezu vollkommenen Ausfall der Wirtschaftstätigkeit“ über mehrere Wochen aus. Um sich über Wasser halten zu können, schicken viele Unternehmen ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit. Laut Bundesagentur für Arbeit haben allein bis zum 6. April bereits rund 650.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet. Einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht dann, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10 Prozent haben. Was genau bedeutet das für Arbeitnehmer? Die Arbeitszeit wird seitens des Arbeitgebers verringert und die Bundesagentur für Arbeit erstattet mit dem Kurzarbeitergeld 60 Prozent des Verdienstausfalls der Arbeitnehmer, bei Beschäftigten mit Kindern sind es 67 Prozent. Mindestens ein Drittel des monatlichen Einkommens weniger zur Verfügung zu haben, birgt schwere finanzielle Einbußen, besonders da ein Ende der Pandemie nicht absehbar ist.

Besonders hart treffen Arbeitsausfälle durch Kinderbetreuung oder Kurzarbeit diejenigen, die beispielsweise durch Teilzeitarbeit sowieso schon weniger verdienen. Die Teilzeitquote von erwerbstätigen Frauen mit minderjährigen Kindern im Haushalt (Stand 2018, Statista) beträgt immerhin 66,2 Prozent, die der Männer liegt mit nur 5,8 Prozent weit darunter. Ein Elternteil, wahrscheinlicher eine Mutter, in einer 30 Stunden Teilzeit Stelle, die nun in Kurzarbeit muss, verdient gerade einmal die Hälfte einer vollzeitarbeitenden Person ohne Verdienstausfälle.

Ein entscheidender Punkt darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden: Kurzarbeit schützt vor Arbeitslosigkeit. Es kann natürlich passieren, dass es ein Unternehmen nicht durch die schwere Zeit schafft und doch eine betriebsbedingte Kündigung droht. Falls das der Fall sein sollte, wurde immerhin der Anspruch auf Arbeitslosengeld durch die Kurzarbeit nicht gemindert. Für alle anderen Fälle bedeutet es, am Ende der Krise weiterhin einen Arbeitsplatz zu haben.

Kurzarbeit, Homeoffice, Care-Arbeit: Diese körperliche, geistige und emotionale Mehrfachbelastung ist für die meisten von uns nur schwer durchzuhalten und doch meistern wir es unseren Kindern zu liebe, uns zu liebe.

Ein wenig Hilfe ist in Sicht: Der Staat versucht, Familien zu unterstützen, und lockert beispielsweise die Anforderungen für einen Kindernotzuschlag. Außerdem haben erwerbstätige Sorgeberechtigte, die wegen der Betreuung ihrer Kinder vorübergehend nicht arbeiten können und einen Verdienstausfall erleiden einen Entschädigungsanspruch. Die Entschädigung beträgt 67 Prozent des entstandenen Verdienstausfalls des betroffenen Sorgeberechtigten und höchstens 2.016 Euro monatlich für einen vollen Monat. Die Gesetzesregelung über die Entschädigung gilt bis zum Jahresende 2020.

Seit Anfang dieser Woche gibt es neue Lockerungen der Corona-Beschränkungen und beispielsweise Geschäfte bis zu einer Verkaufsfläche von 800 qm dürfen schrittweise wieder öffnen. In nicht einmal zwei Wochen folgen weitere Unternehmen wie etwa Friseursalons. Die ersten Schulprüfungen werden geschrieben und auch der weitere Schulbetrieb soll allmählich wieder aufgenommen werden. Ob die beschlossenen Lockerungen auch für uns Eltern Hoffnung und Erleichterung bringen oder doch nur ein erhöhtes Ansteckungsrisiko, wage ich nicht zu bewerten. Meine Gefühle dazu schwanken und ich hoffe inständig, dass es die Infektionszahlen ihnen nicht gleichtun, sondern konstant bleiben und bestenfalls sogar weiter sinken.

Hier findet ihr weiterführende Links zu den Hilfsangeboten:

Informationen über den Entschädigungsanspruch für erwerbstätige Sorgeberechtigte

https://www.bmas.de/DE/Schwerpunkte/Informationen-Corona/entschaedigungsanspruch.html

Prüft euren Anspruch auf Kinderzuschlag (KUG)

https://www.arbeitsagentur.de/familie-und-kinder/kiz-lotse