In Kooperation mit CSL Behring
Ich muss in der siebten Klasse gewesen sein. So genau weiß ich das nicht mehr. Was ich aber noch weiß, ist, dass meine Klassenkameradin total hektisch auf und ab lief. Denn sie hatte eine Gerinnungsstörung. Soviel wusste sie und auch, dass ihre Eltern ihr immer gesagt haben, dass sie sofort Bescheid sagen sollte, wenn sie das erste Mal ihre Periode bekommt. Dieses erste Mal war an jenem Tag – irgendwann mit zwölf, dreizehn Jahren in der Umkleidekabine der Sporthalle unserer Schule.
Ich wusste damals nicht, dass es Menschen gibt, die Probleme damit haben, dass sie zu viel bluten können. Ich lernte als Kind, dass eine Wunde halb so wild ist: Blutet kurz und hört dann wieder auf. Doch so einfach ist das nicht. Denn damit eine Blutung stoppt, ist der von-Willebrand-Faktor wichtig! Der von-Willebrand-Faktor (vWF) ist ein unverzichtbares Eiweiß, das sich in unserem Blut befindet und wie ein Klebstoff funktioniert. Durch den von-Willbrand-Faktor haften die Blutplättchen an der Verletzung an und schließen diese in Folge. So funktioniert der Körper bei gesunden Menschen, die keine Blutgerinnungsstörung haben – die nicht am von-Willebrand-Syndrom (vWS) leiden. Das von-Willebrand-Syndrom ist die weitverbreitetste Blutgerinnungsstörung auf der Welt! Allein in Deutschland sind schätzungsweise 800.000 Menschen betroffen, die meisten wissen es nur nicht. Oft äußert sich die Krankheit nämlich sehr milde und so tun es viele Betroffene als „Ach, ich blute einfach ein wenig stärker!“ oder „In meiner Familie neigen mehrere Leute zu blauen Flecken“ ab.
Leider kann das sogar sein und ist trotzdem kein Grund zum Aufatmen. Denn das vWS ist eine Erbkrankheit und wird daher meist weitergegeben. Das von-Willebrand-Syndrom tritt in unterschiedlicher Ausprägung und in unterschiedlichen Schweregraden auf. Man unterscheidet drei Typen:
- Typ 1: leichter Mangel des vWF / bei 70% der Patienten
- Typ 2: vWF ist verändert (in seiner Struktur oder Funktion) und funktioniert daher nicht ausreichend / bei 30% der Patienten
- Typ 3: kaum bis kein vWF vorhanden / bei 1% der Patienten
„Das von-Willebrand-Syndrom (vWS) ist eine meist angeborene Störung der Blutstillung (Blutgerinnung). Es wird im deutschen Sprachgebrauch von Medizinern oft auch “von-Willebrand-Jürgens-Syndrom” genannt. Die Krankheit wurde 1926 erstmals von Professor Erik Adolf von Willebrand, einem finnischen Arzt für Innere Medizin beschrieben. E. A. von Willebrand untersuchte damals ein Mädchen mit ungewöhnlich starker Blutungsneigung, dessen vier Schwestern bereits im Kleinkindesalter verbluteten. Die Patientin selbst verstarb mit 14 Jahren an ihrer vierten Regelblutung.
Das vWS wird durch das Fehlen oder eine zu geringe und fehlerhafte Bildung eines wichtigen Eiweißes, des von-Willebrand-Faktors (vWF) verursacht. Der vWF ist für eine normale Blutgerinnung unverzichtbar.“ Quelle: https://www.kinderblutkrankheiten.de/content/erkrankungen/gerinnungsstoerungen/von_willebrand_syndrom/krankheitsbild/
Häufig wird das vWS nicht selbst erkannt oder vom Arzt oder der Ärztin nicht sofort diagnostiziert – da vor allem bei einer leichten Ausprägung der Erkrankung die Diagnostik rund um die Blutwerte sehr komplex sein kann. So gibt es aktuell nur 4.505 gemeldete Fälle in Deutschland. Wenn man diese Zahl in Relation mit den 800.000 potenziell Betroffenen in Deutschland stellt, kriege ich fast Schnappatmung! Denn Aufklärung kann hier Leben retten! Auch, wenn eine Erkrankung des vWS des Typ 1 erst einmal nicht lebensbedrohlich ist, kann auch hier eine Extremsituation schlimme Auswirkungen haben. Deshalb ist es so wichtig, dass es möglichst früh erkannt wird.
Das von-Willebrand-Syndrom erkennen:
- Verlängerte und/oder verstärkte Regelblutung
- Ist deine Regelblutung besonders stark ausgeprägt, sodass du mehr als sechs Tampons oder Binden pro Tag verbrauchst? Oder dauert sie länger als 5 Tage?
- Blutergüsse
- Neigst du zu blauen Flecken, auch bei leichten Stößen und an ungewöhnlichen Stellen?
- Zahnfleischbluten
- Kommt es bei dir nach dem Zähneputzen oder während Zahnbehandlungen zu Zahnfleischblutungen?
- Nasenbluten
- Hast du häufig Nasenbluten oder dauert dieses länger als eine Minute an? Sind beide Nasenlöcher betroffen?
- Blut im Stuhl
- Hast du häufig Blut im Stuhl oder schwarzen, klebrigen Stuhl?
Für eine Diagnose muss ein Arzt – idealerweise ein Spezialist auf dem Gebiet der Blutgerinnungsstörungen auch bekannt als Hämostaseologe- verschiedene Blutuntersuchungen durchführen und kann dann feststellen, ob und was für ein vWS-Typ vorliegt. Übrigens sind Männer sowie Frauen zu gleichermaßen betroffen und auch Kinder / Babies können schon unter dem vWS leiden! Vor allem bei Babies kann dies ab dem Krabbelalter unter anderem durch vermehrt blaue Flecken sichtbar werden.
Bei Frauen ist, durch die monatliche Blutung, das vWS doppelt belastend, denn sie leiden akut jeden Monat für ca. eine Woche an den Auswirkungen dieser Erkrankung. Durch das Syndrom und den fehlenden von-Willebrand-Faktor können sie nämlich mehr und stärker bluten. Durchschnittlich verliert eine gesunde Frau 50-80 Milliliter Blut in einem Zyklus ihrer Periode. Ist sie am vWS erkrankt , können es über 80 Milliliter sein, die anstatt der normalen 3-5 Tagen bis zu 10 Tage andauern kann. Das ist nicht nur belastend, da dies nicht nur zu Schmerzen und häufigen Toilettengängen führen kann, sondern auch kräftezehrend ist. Außerdem kann durch den erhöhten Blutverlust auch ein Eisenmangel einhergehen, .
Eine Schwangerschaft ist jedoch kein Risiko – im Gegenteil! Während der Schwangerschaft kanndie Neigung zu Blutungen abnehmen, weil der Körper nach den ersten drei Monaten der Schwangerschaft das Blutgerinnungs-Eiweiß, den von-Willebrand-Faktor, in größeren Mengen produziert. So kann bis kurz vor der Entbindung ein beinahe normaler Wert erreicht werden. Dieser Effekt kann jedoch je nach Typ des von-Willebrand-Syndroms unterschiedlich stark sein.
Die Geburt aber auch das Wochenbett muss ausreichend in ärztlicher Absprache vorbereitet werden und das geburtsbegleitende Krankenhauspersonal und die betreuende Hebamme sollte unbedingt aufgeklärt sein, dass ein vWS vorliegt.
Ich wollte mehr über die Krankheit – insbesondere bei Frauen – wissen und habe mich mit einer Erkrankten unterhalten. Nele ist am Typ 1 des vWS-Typ erkrankt. Aber lest selbst:
Du bist am von-Willebrand-Syndrom erkrankt. Wie und wann wurde die Krankheit bei dir festgestellt?
Da hatte ich Glück. Als ich 3 Jahre alt war, brauchte ich wegen einer schweren Mandelentzündung eine OP. Vor dieser OP wurde mein Blut untersucht und das vWS festgestellt (Typ 1). Da das vWS erblich ist, wurden meine Schwestern und meine Eltern daraufhin auch untersucht. Meine beiden Schwestern und mein Vater haben es, er hat also erst in seinen 40er Jahren erfahren, dass er diese Blutkrankheit auch hat.
Beeinträchtigt sie dich im Alltag?
Zum Glück nicht besonders. Da ich schon seit meiner Kindheit weiß, dass ich diese Blutkrankheit habe, ist das für mich alles normal. Schneller blaue Flecken zu kriegen oder auch mal spontan Nasenbluten, darauf bin ich vorbereitet. Es ist aber wichtig, dass man sein näheres Umfeld über die Krankheit informiert oder zum Beispiel auch eine Checkkarte dabei hat, wo drauf steht, dass man das von-Willebrand-Syndrom hat, damit im Notfall auch Rettungssanitäter Bescheid wissen. Vor einer großen Operation oder bei einem Unfall ist es für mich überlebenswichtig, dass die Ärzte Bescheid wissen und notfalls eine Therapie mit Desmopressin oder ein Faktorkonzentrat verabreichen können.
Hast du Probleme bei deiner Menstruation? Wie gehst du damit um?
Ich hatte jahrelang Beschwerden und konnte i.d.R. 7 Tage im Monat mein Bett nur unter starken Schmerzen verlassen. Man blutet sehr viel mehr, ich hatte unfassbar starke Krämpfe und litt auch unter Schwächeanfällen, als Folge des Eisenmangels. Beim ersten Besuch meiner Frauenärztin hat sie mir erklärt, dass diese starken Beschwerden nicht normal seien und den Zusammenhang zum vWS hergestellt.
Mittlerweile nehme ich eine Anti-Babypille, die dafür gesorgt hat, dass ich meine Blutung nicht mehr bekomme. So habe ich zwar noch Krämpfe, aber die sind bei weitem nicht so stark. Im Notfall hilft aber immer eine Wärmflasche und die gute alte Jogginghose.
Wenn ihr das Gefühl habt, dass ihr auch betroffen sein könntet und es noch gar nicht wisst, schaut unbedingt auf der Website der Früherkennungsinitiative „Netzwerk von-Willebrand-Syndrom“ vorbei. Oder auch auf dem Instagram-Kanal @ourmissingfactor. Unter diesem Link könnt ihr euch Infobroschüren kostenlos bestellen oder downloaden. Ich hoffe sehr, dass dieser Beitrag ein wenig dazu beitragen kann, dass die restlichen 795.495 Betroffenen, die noch nichts davon wissen, wachgerüttelt werden.