geschrieben von Eefke Peters @meerwaerts
„Komm, wir machen da was Großes draus. Lass uns kündigen. Lass uns Zeit füreinander haben. Lass uns einfach fahren und auch erst einmal nicht wiederkommen.“ Irgendwie so fing 2018 alles an. Seitdem ist viel passiert.
2018. Die Idee. Der Startschuss. Sparen, sparen, sparen.
2019. Wir haben einen Transporter gekauft. Wir beginnen mit dem Ausbau. Wir werden schwanger. Wir planen unseren Reisestart für Mai 2020.
2020. Irgendwo in China breitet sich ein neuartiges Virus aus. Noch ahnen wir nichts, befassen uns wenig mit der Thematik. Sind schließlich so aufgeregt, denn im März werden wir Eltern.
11.03.2020. Die WHO stuft die Verbreitung des Coronavirus‘ als Pandemie ein.* An diesem Tag bringen wir auch unsere Tochter auf die Welt. Völlig vertieft in unsere Babyblase geht uns die Entwicklung der Pandemie nicht besonders nahe. Abgesehen von unserer Reiseplanung. Es dauert nicht lange, bis klar ist, dass ein Reisestart vor Ende des Sommers für uns nicht in Frage kommt. Wir wissen einfach nicht wohin und lassen uns auch deshalb viel Zeit beim weiteren Ausbau unseres Vans. Verschiedene Meinungen prasseln auf uns ein. Es ist alles dabei, von: „Ihr könnt auf keinen Fall losfahren, das ist viel zu gefährlich“, bis: „Fahrt bloß weg, der Winter hier wird einsam und traurig.“ Genau für Letzteres entscheiden wir uns. Wir fahren weg, noch bevor der Herbst und damit das nasskalte Wetter in Deutschland die Oberhand gewinnt.
Gerne wären wir nach Frankreich gefahren, unsere Surfkünste verbessern und dann langsam weiter Richtung Spanien, vielleicht sogar bis nach Portugal. Dort spitzt die Lage sich im September aber immer weiter zu, die Zahlen steigen und unser Gefühl sagt uns, dass wir einen Plan B brauchen. Mein Papa wirft Griechenland in den Topf. „Da ist es warm, bestimmt nicht überlaufen, die Fallzahlen sind niedriger als im ganzen Rest von Europa und ihr müsst dann unbedingt nach Kreta, das wird euch so gut gefallen.“ Er ist voller Euphorie. – Ich muss mich mit dem Gedanken erst einmal anfreunden. Das griechische Festland hatte ich nicht auf dem Schirm und wenn ich ehrlich bin, dann war es mir in meinen Gedanken auch nicht so sympathisch wie Spanien oder Portugal.
Am 14.10.2020 rollen wir mit unserem gepackten Van vom Hof meines Papas. Da sind Tränen der Erleichterung und der wahnsinnigen Vorfreude. Wir trauen uns, es wird alles gut werden. Und wenn nicht?! Dann drehen wir eben um. Zurück zur Familie, das geht immer. Das wissen wir, ganz unabhängig von Corona. Unser erstes Ziel ist Italien. In Österreich sind die Fallzahlen wahnsinnig in die Höhe geschossen, wir passieren das Land deshalb innerhalb einer Stunde. Kurz steht zur Debatte, eine Weile in Italien zu bleiben, doch der Herbst macht sich überall bemerkbar. Das Leben spielt sich wieder mehr drinnen ab, die Zahlen steigen und wir wollen möglichst schnell die Fähre nach Griechenland nehmen. Nicht, dass die bald nicht mehr fährt, wie es im Frühjahr schon einmal der Fall war.
23.10.2020. Nach einer turbulenten Fährfahrt werden wir am Hafen direkt rausgezogen und zum Corona-Test gebeten. Wir haben keine Bedenken, denn wir hatten mit kaum jemandem Kontakt und im öffentlichen Raum bemühten wir uns um Abstand und trugen unsere Masken. Mit dem Kind auf dem Arm stehen wir in einer langen Schlage. Ganze 30 Sekunden, bis ein Mitarbeiter mich und das Kind ins Auto schickt. Es sei draußen viel zu kalt für uns. Torben wird getestet und wir sollen uns für 7 Tage in Selbstquarantäne begeben. Wir kaufen ein und verbringen die nächste Woche an einem Strand auf Lefkada. Es fühlt sich so gut an, endlich unterwegs zu sein. Die Griechen machen auf uns, in den von uns bevorzugten ländlichen Regionen, keinen besonders mitgenommenen Eindruck und scheinen die Pandemie in ihrem Ausmaß teilweise gar nicht vor Augen zu haben.
05.11.2020. Eine Nachricht von Bekannten, die ebenfalls mit dem Van in Griechenland unterwegs sind. „Habt ihr schon gelesen?! Ab übermorgen Lockdown in ganz Griechenland.“ Angehängt ist ein englischer Zeitungsartikel, mit einer Erklärung des Pressesprechers der griechischen Regierung. Geschäfte werden geschlossen. Um das Haus zu verlassen, muss eine SMS mit einem bestimmten Code an die Regierung gesendet werden. Wir sind kurz überfordert, reisen zu dieser Zeit gemeinsam mit einem jungen Pärchen und ziehen sogar kurz die Option in Erwägung, unsere Vans für eine Zeitlang gegen eine Ferienwohnung zu tauschen. Schlussendlich wissen wir einfach nicht, was uns im griechischen Lockdown erwartet und wir steuern einen Campingplatz an, obwohl wir doch so viel lieber wild campen. Es stellt sich heraus, dass wir den besten Campingplatz, direkt am Meer, ohne enge Parzellen gewählt haben. Wir treffen einige Bekannte der ersten Wochen wieder, haben heiße Duschen und eine Waschmaschine vor Ort und sind fast ein bisschen froh, den regnerischen November und Dezember hier zu verbringen. Der Lockdown wird im Dorf entspannt gesehen, wir gehen jeden Tag ausgiebig spazieren und Einkaufsmöglichkeiten gibt es fußläufig. Es hätte uns definitiv schlechter treffen können!
14.12.2020 Für die Weihnachtstage nehmen wir uns doch eine Ferienwohnung. Die Wettervorhersagen sind furchtbar, der Campingplatz schließt und wir trauen uns noch nicht wieder ans wild Campen, denn der Lockdown wird Woche um Woche verlängert.
07.01.2021. Eigentlich war für diesen Tag das Ende des Lockdowns vorausgesagt worden, deshalb trauen wir uns zurück auf die Straße. Wir tragen stets ein Dokument mit uns, auf dem wir vermerken, aus welchem Grund wir gerade von A nach B fahren. Es funktioniert, die Polizei grüßt freundlich zurück und wir gehen den meisten Menschen weiter aus dem Weg.
Heute schreibe ich diese Zeilen, während wir auf Kreta gelandet sind. Hier wird es Frühling und die Familie schickt Fotos aus dem Schnee. Zuhause wird mal mehr, mal weniger Trübsal geblasen. Ein Ende, oder wenigstens eine Besserung der Lage in der Pandemie wird so sehr herbeigesehnt. Nicht nur von ihnen. Auch von uns. Aber irgendwie anders. Wir sitzen hier am Strand, lauschen dem Meer, spüren das Salz auf der Haut und leben unseren Traum. Na klar, die Bedingungen haben wir uns anders vorgestellt. Eine Taverne würden wir auch gern einmal von innen sehen, aber trotzdem haben wir keinen Grund zu klagen. Wir sind gesund, bewegen uns vom Fleck und schauen optimistisch auf den Sommer. Ein bisschen mehr Leichtigkeit wäre schön, doch noch haben wir Geduld.