Seit Jahrtausenden gilt eine menstruierende Frau als unrein oder sogar eklig. Periodenblut wird durch blaue Flüssigkeit dargestellt, die beliebtesten Werbebegriffe für Tampons und Binden sind „sauber“ oder „frisch“. Gleichzeitig kosten diese Produkte viel Geld. In Schottland gibt es sie nun kostenlos. Ist das der erste Schritt dahin, dass das Bluten den Igitt-Faktor verliert?
Stellen wir uns das einmal vor: Einem Mann läuft einmal im Monat Blut aus seinem Körper, teilweise verbunden mit starken Schmerzen. Was wäre die Folge? Vermutlich würde dieser wundersame körperliche Vorgang kulturell verbunden mit Kraft, Opferbereitschaft oder Fruchtbarkeit. Ziemlich sicher würde niemand auf die Idee kommen, dieses Bluten zu verstecken oder als ekelhaft zu empfinden. Warum auch? Es gehört ja dazu.
300 Millionen Mädchen und Frauen weltweit menstruieren täglich. Das beschriebene Bild ist also Realität – bei weiblichen Personen. Doch die Periode ist in den meisten unserer Gesellschaften etwas, das heimlich stattfindet, als störend oder sogar unrein empfunden wird. Etwas, das versteckt oder hormonell unterdrückt wird. Mit der Folge: Worüber man nicht spricht, darüber weiß man wenig.
Wie funktioniert eigentlich genau der Blutungsvorgang? Wie viel Blut verliert frau pro Menstruation? Ist es normal, dass ich Schmerzen habe und wieso genau verhindert die Pille, dass ich blute? Über kaum ein so alltägliches Thema wird so wenig gesprochen wie über das Blut der Frauen.
Blut, warum schreibt sie andauernd Blut?! Für viele ist es noch immer irritierend, wenn im Zusammenhang mit der Menstruation das Wort fällt, um das es geht. Seit Jahrhunderten sprechen Frauen – wenn überhaupt – verklausuliert von dem, was Monat um Monat mit ihnen passiert: Sie haben ihre „Tage“, „Tante Rot ist zu Besuch“ oder man befindet sich in der „Erdbeerwoche“. Erst seit einigen Jahren rückt die Menstruation in den Fokus von Forschung und Aktivismus.
Davor liegen Jahrtausende der Tabuisierung der Menstruation. Schon in der Bibel wird beschrieben, wie unrein und gefährlich Periodenblut (und mit ihm die blutende Frau) ist. In den folgenden Jahrhunderten ließen sich verschiedene Männer verschiedene Erklärungen einfallen, um das zu stigmatisieren, was ein vollkommen natürlicher Prozess des weiblichen Körpers ist.
Die schwedische Comic-Zeichnerin Liv Strömquist erklärt in ihrer grandiosen Graphic Novel „Der Ursprung der Welt“, wie die Menstruation systematisch zu etwas degradiert wurde, das Frauen unrein macht. Im Mittelalter, so Strömquist, sei diese Haltung zu einem regelrechten „Menstruationshass“ herangewachsen, der letztlich auch einen großen Anteil an der Hexenverfolgung hatte.
Diese Vorstellung herrschte jedoch nicht in allen Zeiten. Historikerinnen und Historiker vermuten, dass Menstruationsblut in der Steinzeit als heilig galt, als übernatürliche Kraft, die sich im weiblichen Körper manifestiert. Auf wundersame Weise bluteten Frauen zu immer gleichen Mondphasen – und oft sogar parallel zueinander. Außerdem hörten sie auf zu bluten, wenn sie Kinder erwarteten, die Blutungen mussten also im direkten Zusammenhang mit der heiligen Schöpfung stehen. All das zusammen konnte nichts anderes bedeuten als göttliche Fügung – menstruierende Frauen wurden aller Vermutung nach verehrt. Darauf lassen Kultdarstellungen aus polytheistischen Zeiten schließen, die menstruierende Frauen abbilden.
Mit dem Erstarken der patriarchalen Gesellschaften wurde die weibliche, kosmische Kraft, die bisher noch als heilig galt, degradiert. Die Abwertung der Menstruation ist historisch gesehen also eine ziemlich ausgebuffte Strategie, um weibliche Stärke zu entwerten.
Was folgte, waren Tausende von Jahren der Tabuisierung der weiblichen Blutung und all ihrer Begleiterscheinungen. Die Autorin und Menstruationsaktivistin Franka Frei schreibt in ihrem Buch „Periode ist politisch“, bis ins Jahr 1958 galt es als wissenschaftlich erwiesen, dass Menstruierende eine „toxische Wirkung“ auf ihre Umwelt hätten. Dies wurde zwar inzwischen vielfach widerlegt, doch die Tabuisierung hat dennoch zur Folge: Periode hat bitte unsichtbar zu sein.
Die blaue Flüssigkeit, die auf Binden getropft wird, um deren Saugfähigkeit zu belegen, sind ein Symbol dafür. Ebenso die fein manikürte Hand, die einen Tampon einschließt, um zu zeigen, dass er die Periode „dort aufnimmt, wo sie passiert: im Inneren des Körpers“. Inzwischen fließen auch violette Flüssigkeiten durch Werbespots, manchmal erinnern sie an Himbeerbrause, aber was man vergeblich sucht ist: Blut. Blut, wie fast jede Frau es kennt: tief- bis dunkelrot, dickflüssig und mitunter mit Gewebeteilen versetzt. Schleimhaut aus der Mitte des Körpers eben, die in einem beispiellosen natürlichen Vorgang Monat für Monat von der Gebärmutter abgestoßen wird und damit Fruchtbarkeit signalisiert.
Die häufigsten Werbebegriffe für Tampons und Binden lauten „sauber“ oder „frisch“ – was suggeriert, dass frau ohne sie „dreckig“ oder „stinkend“ wäre. Der natürliche und kraftvolle Vorgang des Menstruierens hat einen durchweg schlechten Ruf: „Hast du deine Tage?“ werden Frauen gefragt, wenn sie gereizt wirken. Die Öffentlichkeit suggeriert Mädchen und Frauen, dass sie Hygieneprodukte verschämt und versteckt aufbewahren müssen: Die größte Katastrophe ist es, wenn die Handtasche in der Öffentlichkeit auskippt und Tampons rauskullern. Dosen für Binden sind so designt, dass es aussieht, als wären eigentlich Stifte darin.
Genauso verschämt, wie Frauen ihre Menstruationsprodukte aufbewahren sollen, sollten sie auch gekauft werden. Es sind – genau wie die Pille – Dinge, um die frau sich zu kümmern hat, am besten in aller Diskretion. Ein Ehemann, der die Tampongröße seiner Frau kennt, wäre ein Exot. Dabei würde ihm das vielleicht ermöglichen zu verstehen, welche Beträge sich da so summieren.
Fünf Euro im Monat kosten Tampons oder Binden im Schnitt. Was zunächst nach dem Betrag für einen Milchkaffee plus Croissant klingt, summiert sich im Laufe der durchschnittlich 38 Jahre zwischen erster Periode und Menopause auf knapp 700 Euro. Das mag in einer Wohlstandsgesellschaft zu bewältigen sein. Doch schauen wir einmal über den Tellerrand: Für etwa 100.000 weibliche Obdachlose in Deutschland ist es alles andere als selbstverständlich, sich Hygieneprodukte zu beschaffen. Auch für Frauen, die an der Armutsgrenze leben, kann der Betrag für eine Packung Binden zur Belastung werden.
Weltweit gesehen ist Menstruationsarmut ein ernsthaftes Problem: 500 Millionen Mädchen und Frauen weltweit haben keinen Zugang zu Menstruationsprodukten. In der Kombination mit der strikten Tabuisierung der Blutung sind sie in dieser Zeit weitgehend vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind – und können natürlich nicht zur Schule gehen. Die Folgen für Bildung, Beruf und damit Teilhabe sind frappierend.
Im Februar 2020 ging Schottland einen ungewöhnlichen Schritt: Nachdem eine Studie belegte, dass ein Viertel der schottischen Mädchen Schwierigkeiten hat, sich Tampons oder Binden zu leisten, ging die dortige Regierung einen ungewöhnlichen Schritt: In Schottland sind Menstruationsprodukte nun kostenlos. Schulen und andere öffentliche Einrichtungen sind jetzt verpflichtet, Tampons oder Binden bereitzustellen. Auch in Deutschland wurden seitdem immer wieder Rufe laut, die kostenlose Menstruationsprodukte fordern. Die Bemühungen liefen stets in Leere.
Die Mehrheit der Mädchen fühlt sich unwohl, wenn sie blutet. Viele Frauen können sich nicht vorstellen, während der Periode mit ihrem Partner Sex zu haben. Die Vorstellung, der Tampon könne nicht halten und an der Hose zeige sich Blut, scheint das größte Desaster, das frau sich vorstellen kann. Es ist paradox: In unserer Gesellschaft wird Menstruieren noch immer als etwas begriffen, das am besten nicht da zu sein hat. Gleichzeitig sollen sich Frauen die Produkte, die das ermöglichen, bitte selbst kaufen.
Kostenlose Menstruationsprodukte wären also nicht nur eine nette Erleichterung für Mädchen und Frauen. Sie wären auch ein Zeichen: Ja, wir bluten.