bali

 

 

Am Sonntag lag ich nachmittags am Strand und schlief ein. Viel zu spät wachte ich auf und merkte, dass in 10 Minuten der Sonnenuntergang sein wird. Also hatte ich keine Zeit mehr nach Hause zu fahren, mich für die Party, auf die ich so Lust hatte, fertig zu machen. Mein ganzer Körper war voller Sand. Meine Haare verfilzt vom Salzwasser. Ich hatte ein Bikini an, darüber ein altes schwarzes Kleid, dass mal meiner Oma gehörte. An meinen Handgelenken hingen unzählige Armbänder – Erinnerungen von allen kleinen Stopps der letzten Wochen. In meinem Jutebeutel ein zerknautschtes Handtuch und mein Buch. An meinem linken Unterarm ein Stück Frischhaltefolie gewickelt, weil ich mir am Vormittag spontan ein neues Tattoo stechen lassen hatte. Ein „Ja“ – als hätte ich es geahnt.

Ich fuhr schnell zwei Buchten weiter. Stellte meinen Roller ab und schmiss mich in die riesige Menschenmasse, die vom Parkplatz Richtung Single Fin lief. So viele Menschen habe ich lange schon nicht mehr gesehen. Aufregend. Mir viel ein, dass dieses Treffen mit Hörby auch noch anstand. In erster Linie freute ich mich, diese Party mitzuerleben. Komme, was wolle.

Die Sonne hing schon am Abgrund, als ich die Terrasse betrat. Ich schaute mich um und ging dabei die Treppe runter. Eine Tanzfläche, ein paar Bars, ein paar Sitzplätze, das Meer unter mir, die untergehende Sonne vor mir. Ein Dj, der auf einem Podest entspannte Musik spielte. Nette Menschen um mich rum. Es gefiel mir – und ich wusste Gott sei Dank nicht, dass ich beobachtet wurde. Beobachten, von dem Mann, mit dem ich verabredet war, der sich aber erstmal ein wenig Mut antrinken musste, wie ich später erfuhr.

Doch zuerst einmal hatte ich großen Hunger und bestellte mir eine Pizza und ein Bintang, dass ich zusammen mit einigen Australiern an einem großen Tisch zu mir nahm. Zuerst war es nett mit denen, dann wurden sie ein wenig aufdringlich. Nicht unangebracht, aber so, dass ich schnell mein „Date“ Hörby treffen wollte. Ich war mir sicher – obwohl ich ihn nicht kannte – dass er mit seinen Freunden die bessere Partybegleitung sein würde. Ich schaute mich um, aber sah ihn nirgendwo. Bis mir, wenige Sekunden später, jemand auf die Schulter klopfte. Schon bevor ich mich umdrehte, wusste ich irgendwie, dass der nächste Moment wohl alles verändern würde. Und so war es auch. Ich schaute Hörby ins Gesicht und verliebte mich.

Da stand dann also dieser Mann vor mir, mit seinem Dutt und einem breiten Grinsen. Ich stand auf und bedankte mich sofort bei ihm, dass er mich aus dieser unangenehmen Situation befreite. Wir gingen zur Bar und tranken ein paar Bier. Irgendwie war es uns beiden recht, mindestens ein Bier mehr zu trinken, denn die Aufregung wurde mit jedem Wort, das wir sprachen, mehr. Das lag ganz bestimmt auch daran, dass Hörby (der eigentlich ganz anders heißt, erklärte er mir) mich nichts fragte. Es schien, als wäre ihm total egal, wer da neben ihm stand. Gott sei Dank wusste ich, wie ich ein Gespräch aufrechterhalten kann.

Zu uns stießen Hörbys Hostelfreunde, die alle so besonders komisch waren, dass es sich fast lohnt, über diese einen eigenen Beitrag zu schreiben. Die Mädels aus der Runde hatten so viel Make-up aufgelegt, dass – so erklärte Hörby es mir einige Monate später – die Jungs am nächsten Tag im Hostel in die Runde fragten, wo denn eigentlich die beiden Mädchen abgeblieben sind. Alle fragten sich das gleiche, bis zwei ungeschminkte Girls am Tisch den Kopf hoben und in die Runde von 8 Leuten winkten.

Wir tanzten, holten Bier, lachten, erzählten uns von den letzten Wochen, gingen zur Brüstung, schauten übers Meer und ließen uns den nassen Meereswind ins Gesicht blasen. Bis irgendwann auf der Tanzfläche der erste Kuss fiel. Der war… schön. Besonders. Besonders schön. Ich wollte nicht, dass der Abend zu Ende ist und fragte Hörby, wo wir denn eigentlich weiterfeiern, wenn die Party beendet wird. Hörby verschluckte sich an seinem Bier und guckte mich verdutzt an. Ich meinte es genauso, wie ich es gesagt hatte. Hörby verstand es als Einladung mit zu mir zu kommen und wackelte mir, nachdem das Single Fin schloss, hinterher zum Taxistand.

Und so entstand das, was ich wirklich nicht wollte. Eine Liebesgeschichte an meinem vorletzten Tag, am Ende der Welt. Das Leben schrieb seine eigene Geschichte. Bali hatte also vorgesehen, mich an diesen letzten Tagen einem Mann vorzustellen, der mich sofort verzauberte. Am nächsten Morgen schlug ich ihm vor, ihn zu seinem Hostel zu bringen. Doch Hörby wollte mit mir frühstücken gehen. Mir wurde immer klarer: vielleicht sollte es so sein.

Es war mein letztes Frühstück auf Bali, denn abends ging mein Flieger nach Hamburg. Hörby blieb noch weitere sechs Wochen in Asien. Uns war klar, dass wir uns danach mal wiedersehen werden, wie man Menschen, die man im Urlaub kennenlernt halt wiedersieht – dachte ich mir. Ihn nach diesem Morgen zu verabschieden, brach mir trotzdem oder gerade deswegen das Herz. Doch gerade um die erste Kurve gebogen kam die erste SMS und so schrieben wir an meinen letzten Urlaubstag, an dem ich ein paar Dinge erledigen musste und er zum Surfen verabredet war, den ganzen Tag miteinander.

Abends, ein paar Stunden vor dem Abflug, saß ich in einer bekannten Hotelbar, in der die Cocktails unheimlich teuer sind und der Ausblick unbezahlbar. Der Flughafen war nur wenige Minuten entfernt, Hörby dafür fast eine Stunde. Ich saß dort, schaute auf die Wellen, reflektierte die letzte Zeit und dachte an meine gestrige Begegnung, die sich irgendwie für-immer anfühlte. Ich schickte ihm ein Bild vom Meer (in der rechten Ecke dieses Bildes sah man die Speisekarte der Hotelbar) und schrieb, dass ich an ihn dachte. Und dann saß ich dort. Fühlte mich angekommener als je zuvor und verschwand in einem Tagtraum, der mich diese Reise noch einmal durchleben ließ. Bis mich jemand von hinten packte und festhielt. Hörby stand hinter mir. Er hatte auf dem Bild erkannt, wo ich war, schnappte sich sein Roller, kam zu mir und hielt noch eine weitere Stunde meine Hand. In der mir klar wurde: Es fühlte sich nicht nur an wie-für-immer, ich glaube, das ist für immer.

Zwei Wochen später, Deutschland hatte mich zwar wieder fest im Griff, mein Herz hing aber noch in der Luft, besuchte mich meine Mama. Als wir im Auto unterwegs waren, um zu einem Abendessen zu fahren, sagte ich ihr: „Mama, ich habe da jemand kennengelernt. Jemanden, den ich mal heiraten werde.“