Natürliche oder künstliche Befruchtung, Adoption oder Pflege – es gibt viele Wege, Kinder zu bekommen. Die meisten Paare erhoffen sich, auf natürliche Weise durch gemeinsamen Sex Eltern zu werden. Prinzipiell ist es der einfachste – und auch günstigste – Weg, doch leider ist er manchen versperrt und auch nach jahrelangen Versuchen bleibt der Test negativ.
Ein weiterer Weg in die Elternschaft ist die Leihmutterschaft. Hier trägt eine außenstehende dritte Person, die Leihmutter, das Kind von jemand anderem mithilfe von künstlicher Befruchtung aus. Doch das ist in vielen Ländern verboten – Deutschland eingeschlossen. Das Auswärtige Amt schreibt: “In Deutschland sind die im Zusammenhang mit Leihmutterschaft stehenden Tätigkeiten von Ärzten nach dem Embryonenschutzgesetz strafbar.” Interessant ist, dass sich nur Leihmütter und nicht die Wunscheltern strafbar machen. Auch unsere Nachbarn Frankreich und Italien verbieten es. Andere Länder stehen dem Konzept dafür offen gegenüber, zum Beispiel die USA, Mexiko, Kolumbien, Georgien und die Ukraine.
Die verschiedenen Facetten von Leihmutterschaft
Leihmutterschaft ist komplex. Es gibt viele rechtliche, medizinische und emotionale Aspekte:
Bei der traditionellen Leihmutterschaft wird eine Eizelle der Leihmutter künstlich mit dem Sperma des Wunschvaters befruchtet – so ist sie die biologische Mutter des Kindes. Die gestationelle Leihmutterschaft ist für viele der präferierte Weg: Hier entsteht der Embryo durch In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Eizelle und Sperma der Wunscheltern oder von Spender*innen. Die befruchtete Eizelle wird im Uterus der Leihmutter eingepflanzt. Hier ist die Leihmutter nicht mit dem Kind verwandt. Sie ist offiziell die Geburtsmutter, aber die biologische Mutter ist die, deren Eizelle verwendet wurde.
Außerdem wird zwischen altruistischer und kommerzieller Leihmutterschaft unterschieden: Altruistische Leihmutterschaft findet meist im familiären und Freundeskreis statt. Hier trägt eine gebärfähige Person freiwillig eine Schwangerschaft für die Wunscheltern aus, ohne dafür eine finanzielle Gegenleistung zu erhalten. Die umstrittenere Variante ist die kommerzielle Leihmutterschaft. Hier wird die Leihmutter für ihre Dienste über die Erstattung der medizinischen Kosten hinaus finanziell honoriert.
Manche Länder erlauben Vereinbarungen zur altruistischen Leihmutterschaft, jedoch nicht, diese zu kommerzialisieren. Doch es gibt Grauzonen, denn es kann trotzdem zu Zahlungen kommen, zum Beispiel für medizinische Notwendigkeiten. So ist die Situation in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden.
Die Wunscheltern
Eine Leihmutterschaft kostet nicht wenig. Deswegen kommen viele Geschichten über Leihmutterschaft von Reichen und Prominenten. Klischees wie das einer Business-Frau, die sich keine Freizeit von der Arbeit nehmen will und kann, um ein Kind zu bekommen oder um sich den Körper nicht zu “versauen”, aber Mutter werden will, malen diese Menschen als kühl und abgedroschen. Solche Geschichten haben bestimmt ihre Berechtigung. Doch es gibt viele Gründe für die Entscheidung von Paaren zu einer Leihmutterschaft: von Unfruchtbarkeit bis hin zu medizinischen Risiken und Vorerkrankungen. Auch für LGBTQ-Paare ist die Leihmutterschaft ein Weg, der es ihnen ermöglicht, eigene, biologische Kinder zu haben. Etwas, dass sie von sich aus nicht können.
Aus der Menschenrechts-Perspektive ist es so: Niemand besitzt das Recht, ein Kind zu bekommen – egal wie. Aber es gibt das Recht, nicht diskriminiert zu werden. Und in einigen Ländern sind nur heterosexuelle und verheiratete Paare zu einer Leihmutterschaft berechtigt, was gegen die Menschenrechte verstößt.
Die Kinder
Von Gegner*innen wird Leihmutterschaft als Verkauf von Kindern kritisiert, was eine Verletzung von Menschenrechten bedeuten würde. Doch letztendlich wird mit der Leihmutterschaft kein Kind gekauft oder verkauft. Was bezahlt wird, ist der Service, den die Leihmutter bietet. Zum Beispiel wird die Leihmutter auch dann bezahlt, falls der Embryo sterben sollte.
Gerade bei einer transnationalen Leihmutterschaft muss das Wohl des Kindes an erster Stelle stehen. Denn hier besteht eine gesetzliche Komplexität wie die Anerkennung einer Nationalität und Identität des Kindes. In Australien ist es zum Beispiel so, dass jedes Kind, das durch eine Samen- oder Eizellen-Spende gezeugt wurde, das Recht hat, mit 18 Jahren die biologischen Eltern zu kontaktieren. Kinder, die durch transnationale Leihmutterschaft gezeugt werden, haben dieses Recht oder diese Möglichkeit nicht.
Die Leihmütter
Die Arbeit, die ein gebärfähiger Körper mit einer Schwangerschaft leistet, ist unglaublich: das Erschaffen, Heranwachsenlassen und Nähren einer befruchteten Eizelle zu einem Embryo, zu einem Fötus, zu einem überlebensfähigen und ausgewachsenen Baby – Wahnsinn! Dennoch wird diese Arbeit als natürlich angesehen. Es kann skurril scheinen, jemanden für etwas zu bezahlen, das der menschliche Körper von alleine leisten kann. Für manche ist es eine wundervolle Möglichkeit, sich selbst und anderen etwas zu ermöglichen. Andere denken, es ist unethisch und sollte kriminalisiert werden. Menschenrechtlich ist es so, dass Frauen und andere gebärfähige Personen das Recht zu körperlicher Integrität haben und somit die Entscheidungsmacht über ihre eigenen Körper. (CEDAW)
Topf-Deckel-Situation
Es gibt Frauen, die bereits Kinder haben und nicht noch mehr möchten, aber es lieben, schwanger zu sein. Für diese wäre die Arbeit als Leihmutter eine tolle Möglichkeit.
Ein besonderes Beispiel: Eine Frau berichtet davon, dass sie starkes ADHS hat, das sie so sehr einschränkt, dass sie kaum einen traditionellen Beruf ausüben kann. Jedoch kann sie aufgrund von Unverträglichkeiten keine Medikamente dagegen nehmen. Was hat ihr jedoch unvorhergesehen geholfen? Schwanger sein. Ihr Körper hat sich umgestellt und gesagt: „Ich muss mich jetzt auf diese eine Sache konzentrieren.” Durch ihre Schwangerschaftshormone konnte sie ihr Leben wieder in den Griff bekommen, Dinge erledigen, konzentriert arbeiten – ihre wilden Gedanken zähmen. Nun hat sie zwei Kinder und kann und möchte auch keine weiteren finanziell und psychisch unterstützen. Aber eine Schwangerschaft würde sie jederzeit nochmal erleben wollen, denn das war für sie die schönste Zeit ihres Lebens. Klingt wie eine Topf-Deckel-Situation: Sie könnte als Leihmutter arbeiten und damit Wunscheltern einen Traum erfüllen und gleichzeitig für sich selbst etwas Gutes tun.
Die Schattenseiten
So einfach ist es natürlich nicht. Leider gibt es Schattenseiten. Es gibt Menschen, die verletzliche Frauen als Leihmütter ausnutzen. Es gibt egoistische Menschen, die nicht das Wohl des Kindes im Sinn haben. Es gibt Leihmütter, die sich während der Schwangerschaft umentscheiden. All dies ist bereits passiert und hat medial große Wellen geschlagen. Hier ist wichtig zu bemerken, dass es sich bei vielen dieser Kontroversen um transnationale Leihmutterschaften handelte. Fälle, in denen ein meist wohlhabendes Paar in ein meist armes Land im globalen Süden gereist ist und dort eine Vereinbarung mit einer lokalen Frau ausgemacht hat.
2014 gab es einen großen Skandal in Thailand über Baby Gammy: Ein australisches Paar suchte in Thailand eine Leihmutter. Diese bekam für sie Zwillinge über gestationelle Leihmutterschaft (also war sie biologisch nicht mit den Babys verwandt). Als die Wunscheltern erfuhren, dass eines der Babys Down-Syndrom hat, wollten sie, dass dieses abgetrieben wird. Die Leihmutter verweigerte das, da die Abtreibung ihrem buddhistischen Glauben widersprach. Nach der Geburt nahm das Paar nur das gesunde Mädchen mit nach Australien und ließ Baby Gammy zurück, der daraufhin liebevoll von der Leihmutter aufgezogen wurde.
Alles eine Grauzone
Es ist nicht nur schwarz und weiß. Leihmutterschaft ist eine Grauzone. Kommerzielle Leihmutterschaft kann in Ländern mit wenig Chancen zur Emanzipation für Frauen eine Möglichkeit zur Unabhängigkeit sein. Jedoch können gerade diese verletzlichen Frauen in unsicheren Verhältnissen ausgenutzt werden und sogar von missbrauchenden Männern zur Leihmutterschaft gezwungen werden. Auch zwischen den Wunscheltern und der Leihmutter besteht ein Machtgefälle: Privilegierte, reiche Paare können leicht arme, verzweifelte Menschen ausnutzen. Es ist ein Klassenproblem. Und wie sehr ist es Selbstbestimmung, wenn Leihmütter keinen anderen Weg sehen? Gibt es wirklich informierte Zustimmung bei solch großen perspektivischen und Vermögensunterschieden?
Es ist nicht unähnlich zur polarisierenden Arbeit der Prostitution. Einige wenden sich dieser erst in verzweifelten Situationen zu. Andere Sexarbeiter*innen hingegen üben den Beruf gerne aus, sehen ihn als Ermächtigung, der für sie wie jeder andere auch nur ein Job ist, der die Rechnungen bezahlt.
Ein Denkanstoß
Über Prostituierte wird gesagt, dass sie ihre Körper verkaufen – aber tun wir das nicht alle? Verkaufen wir nicht alle unsere Hände, um ein Dach zu decken, Haare zu frisieren oder Anträge zu bearbeiten? Unsere Beine, um zu modeln oder Menschen aus einem brennenden Haus zu retten? Unser Gehirn, um die Medizin voranzubringen oder einen Artikel zu verfassen? Wieso ist es dann so abwegig, dass Menschen einer Arbeit nachgehen, bei der sie mit ihren reproduktiven Organen Geld verdienen? Prostitution ist nicht dasselbe wie Leihmutterschaft. Aber der Gedanke geht in eine ähnliche Richtung.
Frauen und ihre Arbeit wurden lange Zeit der privaten Sphäre zugeteilt. Darunter fällt der Haushalt, die Betreuung von Pflegebedürftigen und die Kindeserziehung. Und diese Arbeit wird nicht bezahlt. Muss das so sein?
Letztendlich hat jede Industrie und jede Branche das Potential, ausbeuterisch zu werden. Dies gilt nicht nur für Sexarbeiter*innen und Leihmütter. Genau für so etwas gibt es Gewerkschaften und Verbände, die sich für sichere und faire Arbeitsbedingungen einsetzen. Kontrolle und Regulierungen sind wichtig im Prozess der Leihmutterschaft. Doch leider wird es in einigen Ländern wie eine freie Marktwirtschaft und weniger restriktiv gehandhabt. Es gibt Agenturen, die den Prozess sicherer machen, doch diese sind nicht überall erlaubt, zugänglich oder für jedes Paar bezahlbar.
Ein regulierter und sicherer Weg muss her, durch den beide Seiten geprüft werden und es festgelegte Preisrahmen gibt. So könnten viele problematische und riskante Aspekte des Leihmutterschaft-Prozesses vermieden werden.
Freiheit vs. Sicherheit
Doch wenn ich mich in die Position der Wunscheltern hineinversetze, stellt sich mir die Frage: Unter welchen Bedingungen muss der Wunsch nach einem biologischen Kind umgesetzt werden? Wieso sind Menschen willig, Unmengen an Geld auszugeben oder um die Welt zu reisen, um unbedingt ein Kind auf die Welt zu bringen, das ihre DNA besitzt? Müssen einfachere Möglichkeiten wie Adoption und Pflegefamilien immer die letzte Hoffnung sein? Plan Z? Es gibt so viele Kinder – genau genommen derzeit 153 Millionen – die sich nach einem Zuhause und einer liebevollen Familie sehnen.
Diese Kinder existieren bereits. Und doch reist ein deutsches Paar nach Indien, um dort für viel Geld ihre künstliche befruchtete Eizelle in eine vermutlich unterdrückte Frau einzupflanzen und die rechtliche Mühe der Anerkennung der deutschen Staatsbürgerschaft des Kindes durchzuklopfen, nur um sagen zu können, dass das Kind ihre Augen und sein Lachen hat.
Ich weiß es nicht. Es bleibt ein schwieriges Thema.
Denn gleichzeitig bin ich große Befürworterin von Selbstbestimmung über das eigene Leben und den eigenen Körper. In einer Zeit, in der die reproduktiven Rechte von Frauen und anderen gebärfähigen Personen wieder stärker eingeschränkt werden, Sexarbeit noch stigmatisiert ist und eine Vergewaltigungskultur weiterbesteht… Da möchte ich klar die Selbstbestimmung aller befürworten. Solange es wirklich Selbstbestimmung ist. Jeder Mensch weiß selbst, was für ihn oder sie das Richtige ist. Wenn es gebärfähigen Personen ermöglicht ist, unter sicheren und fairen Bedingungen für jemand anderen ein Kind auszutragen und sie dies tun möchten: Wer bin dann ich, wer sind dann andere, wer ist dann die Regierung, um ihnen dies zu verbieten?
Und wenn Wunscheltern und Leihmütter einen Kompromiss finden, mit dem sie beide glücklich sind und von dem sie beide profitieren, dann ist das doch wundervoll.