Kaum etwas wird so viel und doch so unkonkret und unkorrekt besprochen wie „Influencer“. Überall wird über sie geredet – mal gut, mal schlecht. Ein Mysterium, vielleicht auch, weil es diesen Beruf noch nicht lange gibt? Wahrscheinlich. Doch bestimmt auch, weil es wenig handfeste Informationen gibt. Eine Ausbildung zum*r Influencer*in gibt es nicht. Eine vertrauensvolle Information, wie viel ein*e Influencer*in verdient ebenso wenig, denn es ist schlichtweg nicht messbar. Eine konkrete Jobbezeichnung gibt es schon, doch ist die ebenso schnell überworfen, wenn man sich Influencer*innen mal genauer anschaut. Denn dieser Beruf ist nicht geschützt und somit könnte sich jeder so nennen, der oder die meint er oder sie beeinflusst mit seinen Inhalten. Doch ist das bei weitem nicht so, denn – wie in allen anderen Bereichen des Lebens – gibt es hier große Qualitätsunterschiede. Gerade deswegen ist es so schwierig durch nur eine Meinung ein Bild dieses Berufs – und ja, gleichzeitig auch Lebenszweigs zu bekommen.
Deswegen habe ich mich gleich mit drei Frauen unterhalten und allen dieselben Fragen gestellt. Ich wollte wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht, wie empfinden PR-Berater*innen und Influencer-Markting-Manager*innen das Arbeiten mit Influencer*innen? Können sie ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern und bekommen wir so vielleicht alle einen besseren Eindruck über diesen Beruf?
Lest selbst.
Im Interview mit Lisa*
Was ist dein Job?
Im Rahmen meiner Arbeit als freie PR-Beraterin betreue ich ein bekanntes Familienunternehmen, das Produkte für Babys und Kleinkinder herstellt. Die Arbeit mit Influencer*innen nimmt seit einigen Jahren einen Großteil meiner Tätigkeit ein. Konkret sieht es so aus, dass sämtliche bei uns eingehende Kooperationsanfragen aus dem deutschsprachigen Raum auf meinem Tisch landen. Und das sind sehr, sehr viele, ich bekomme eigentlich täglich neue Anfragen. Von ganz kleinen „Insta-Muttis“ und Produkttestseiten bis zu den ganz großen Influencer*innen, die fünfstellige Honorarbeträge aufrufen, ist alles dabei. Ich gucke mir dann jede/n Einzelne/n an und entscheide, ob eine Zusammenarbeit für uns interessant und sinnvoll ist. Natürlich schreibe ich auch viele Absagen. Wenn eine Kooperation zustandekommt, bin ich für die gesamte Abwicklung von der Auswahl der Produkte über die Organisation der Logistik – den Versand übernehmen die Kolleg*innen – und das Briefing bis zum Monitoring und Reporting der Veröffentlichungen (in erster Linie Instagram Posts und Storys) verantwortlich.
Bei konkreten Kampagnen gehen wir auch aktiv auf passende Influencer*innen zu. Bei einigen größeren läuft die Abwicklung über das Management oder eine Agentur, wobei ich den persönlichen Kontakt bevorzuge.
Wie würdest du das Arbeiten mit Influencer*innen beschreiben?
In der Regel sehr angenehm, die meisten sind wirklich nett und freuen sich, wenn wir mit ihnen zusammenarbeiten möchten. Es macht natürlich einen Unterschied, ob es sich um eine bezahlte oder unbezahlte Kooperation handelt. Bei bezahlten Zusammenarbeiten sind wir der Auftraggeber, ähnlich wie bei einer Anzeigenschaltung oder Ähnliches, und können Wünsche äußern und Einfluss auf die Qualität des Postings nehmen. Bei Barter Deals* nehmen wir keinen Einfluss und erleben immer mal wieder Überraschungen, im positiven wie im negativen Sinne. Manchmal bleibt es beim einmaligen, recht unpersönlichen Kontakt. Andere melden sich häufig, geben Feedback und stimmen sogar manchmal ihre (unbezahlten) Postings mit mir ab.
Hast du schon negative Erfahrungen mit Influencer*innen gemacht?
Ja, doch, immer mal wieder, das gehört wahrscheinlich dazu, wenn man mit so vielen Leuten zusammenarbeitet. Auch wenn man sich alle Profile vor Beginn einer Zusammenarbeit genau anschaut, kann man nicht immer abschätzen, was hinterher dabei herauskommt. Es gibt ab und zu welche, die einfach nur Produkte abgreifen wollen, nie etwas posten und sich nie wieder melden. Oder andere, die in einer Woche unser Produkt posten und in der nächsten eins der Konkurrenz. Ich denke, das ist für die Follower*innen auch nicht besonders glaubwürdig. Aber da können wir bei Barter Deals* nicht viel machen außer auf eine weitere Zusammenarbeit zu verzichten.
Wenn es um bezahlte Kooperationen geht, habe ich die Erfahrung gemacht, je größer und teurer der/die Influencer*in, desto komplizierter die Zusammenarbeit und desto divenhafter manchmal das Verhalten. Wir arbeiten mit Kooperationsverträgen, die einige komplett umschreiben möchten, obwohl ich sie jetzt nicht als besonders hart bezeichnen würde… Sie sind lediglich eine sinnvolle Absicherung für beide Seiten.
Ein Beispiel für eine sehr schöne Zusammenarbeit:
Wenn ich jemandem eines unserer Produkte erkläre, briefe, Tipps gebe und sich die Person (und natürlich auch das Baby) dann richtig damit wohlfühlt und identifiziert, dann ist das ganz toll. Da kommen dann auch häufig tolle, „organische“ Postings bei heraus und die Produkte sind oft wie selbstverständlich über lange Zeit in den Storys zu sehen, als fester Bestandteil des Familienalltags. Wir möchten niemanden überreden, unsere Produkte zu benutzen und dann widerwillig zu zeigen, das bringt niemandem etwas. Denn wir legen großen Wert auf Authentizität und freuen uns sehr, wenn sich jemand mit der Marke identifiziert und den Spirit des Unternehmens versteht. Und wenn nicht, dann eben nicht, es gibt ja für alle passende Alternativen…
Bezahlt ihr Influencer*innen ausschließlich nach TKP* oder wie handhabt ihr die Preisfindung?
In der Regel nennen sie uns einen Preis und wir handeln im Rahmen unserer Möglichkeiten ein wenig herunter, um uns bei einem für beide Seiten vertretbaren Honorar zu treffen. Der TKP* spielt da eine untergeordnete Rolle, aber wir gucken natürlich schon auf die Followerzahlen. Jedoch nicht ausschließlich, denn ein aktives, interessantes Profil ist uns wichtiger als reine Zahlen – Qualität vor Quantität.
Wie viel verdient ein*e Influencer*in pro Post nach deinem Gefühl (wir sprechen jetzt nicht über einsehbare TKPs*) mit 10k, 100k, 1M Follower*innen?
Kann ich nicht genau sagen, es ist komplett unterschiedlich… Wir haben ein relativ geringes Budget und machen sehr wenige bezahlte Kooperationen. Auch, weil es noch erstaunlich viele, auch interessante, Influencer*innen gibt, die gar kein Geld wollen. Wenn, buchen wir hauptsächlich Influencer*innen, die zwischen 10k und 100k haben, die meisten darüber können wir uns überhaupt nicht leisten.
Die Preisunterschiede sind übrigens extrem groß. Bei manchen mit 100k bekommt man einen Post und eine Story für 1.500 Euro, andere fordern allein für eine Story schon 2.000 Euro.
Findest du die Bezahlung von Influencer*innen gerechtfertigt?
Jein. In dem Rahmen, in dem wir uns bewegen, ist es noch okay. Wobei es so viele Menschen (zum Beispiel in der Pflege) gibt, die im Monat so viel verdienen wie eine durchschnittliche Influencerin für einen einzigen Post. Das ist schon wirklich unfair. 12.000 Euro für eine Insta Story bei 500k Follower*innen finde ich jedoch völlig irrwitzig. Da machen wir nicht mit, aber es scheint ja genug Firmen zu geben, die das tun. Von Promi-Influencer*innen müssen wir gar nicht anfangen, die bewegen sich ja noch mal in ganz anderen Gefilden…
Wärst du gerne manchmal auf der anderen Seite – also die Influencerin?
Nein, auf gar keinen Fall. Ich möchte mein Privatleben nicht vor Tausenden fremden Menschen ausbreiten und mich mit so vielen Idiot*innen im Netz herumschlagen müssen. Da muss man ein wirklich dickes Fell haben.
Im Interview mit Julia*
Was ist dein Job?
Initiierung von Influencer Ausstattungen und Kooperationen.
Wie würdest du das Arbeiten mit Influencer*innen beschreiben?
Meist auf Augenhöhe.
Hast du schon negative Erfahrungen mit Influencer*innen gemacht?
Immer wieder und das seit 2016. Wir haben sogar eine interne Blacklist angelegt.
Ein Beispiel für eine negative Erfahrung:
Im Rahmen einer Kooperation wurden Produkte, zu denen Content geliefert werden sollte, als „neu und zu verkaufen“ in der Instagram Story angeboten. Oder auf eBay versteigert.
Bezahlt ihr Influencer*innen ausschließlich nach TKP* oder wie handhabt ihr die Preisfindung?
Nein, überhaupt nicht. Bei unserem Kunden ist Reichweite nicht am wichtigsten, sondern die Zusammenarbeit mit Influencer*innen, die ein großes Brand-fit mitbringen und die Bildsprache zum Kunden passt. So arbeiten wir auch durchaus mit Micro-Influencer*innen zusammen, die kein Honorar verlangen und alle anderen machen uns ein Angebot.
Wie viel verdient ein*e Influencer*in nach deinem Gefühl pro Post (wir sprechen jetzt nicht über einsehbare TKPs*) mit 10k, 100k, 1M Follower*innen?
Puh, das ist eine spannende Frage. Ich kenne Influencer*innen, die um die 10k Follower*innen haben und von nichts bis 4.000 Euro im Monat verdienen. Eine Freundin mit 100k ist monatlich sicher mit 10.000 Euro dabei und wenn ich mir die Einzelpreise von weitreichenden, starken Influencer*innen mit um die 1M anschaue, sind das sicherlich in schlechten Monaten um die 100.000 Euro.
Findest du die Bezahlung von Influencer*innen gerechtfertigt?
Ja und nein! Im Fashionbereich eher nein, wenn ich die Influencer*innen mit schwingenden Hüften im kleinen Röckchen am Screen sehe, die Produkte aus Massenproduktion zu geringen Preisen präsentieren. Ja, wenn es um Substanz und echten Content geht. Besonders im Bereich zwischen 25 bis 50k Follower.
Wärst du gerne manchmal auf der anderen Seite – also die Influencerin?
Auf keinen Fall! „Meine“ Seite ist perfekt für mich.
Im Interview mit Laura*
Was ist dein Job?
Ich bin Influencer-Marketing-Managerin. Ich beschäftige mich mit Influencer*innen seit vier Jahren und bin für die Kooperationen zuständig.
Wie würdest du das Arbeiten mit Influencer*innen beschreiben?
Es ist schon ein intensiver Austausch. Influencer-Marketing ist eine große Fleißarbeit. Es geht um viele Mails, Briefings, Calls, interne Absprachen. Es ist zeitintensiv! Einige Influencer*innen machen das super und andere hängen ein wenig hinterher.
Ein Beispiel für eine sehr schöne Zusammenarbeit:
Da gibt es viele. Viele Influencer*innen bedanken sich im Nachhinein bei mir für die unkomplizierte Kommunikation und dass alles so reibungslos gelaufen ist. Sowas ist für mich immer ein schönes Feedback.
Bezahlt ihr Influencer*innen ausschließlich nach TKP* oder wie handhabt ihr die Preisfindung?
Wir arbeiten mit TKPs*. Wir zahlen nicht nach Gefühl oder wie der/die Influencer*in möchte, sondern gucken nach Daten. Nichtsdestotrotz ist es uns wichtig, auch hier nicht unten anzusetzen, sondern fair zu bleiben. Es soll für beide Parteien fair sein. Ich schaue mir vor Kooperationen auch das Profil genauer an und gucke nach Fake Followern, Engagementrate und so weiter.
Wie viel verdient ein*e Influencer*in nach deinem Gefühl pro Post (wir sprechen jetzt nicht über einsehbare TKPs*) mit 10k, 100k, 1M Follower*innen?
Das ist schwierig. Jeder hat seine eigene Preise. Profile mit 10k sind oft Barter Deals* oder ich schätze definitiv unter 500 Euro pro Post. Bei 100k pro Post 1000 Euro und ab 1M gehts ab 15.000 Euro los pro Post, wenn das Profil ganz gut läuft. Es kommt aber immer sehr drauf an, ob ein Management dabei ist.
Findest du die Bezahlung von Influencer*innen gerechtfertigt?
Ja schon, weil sie ja arbeiten. Es ist ja quasi auch eine Dienstleistung für uns als Marke.
Wärst du gerne manchmal auf der anderen Seite – also die Influencerin?
Ja, wäre ich schon gerne. Da ich natürlich sehe, was die Person im Monat verdient. Jedoch wäre es nicht mein Ding, mich persönlich so darzustellen – ich könnte auch nicht mit der Öffentlichkeit umgehen und den Schattenseiten.
* Erklärungen:
Die Namen der Expertinnen wurden für den Artikel geändert
Barter Deals: Ein kostenloses Tauschgeschäft, bei dem eine Ware oder eine Dienstleistung gegen eine andere Ware oder Dienstleistung getauscht wird.
TKP: Tausend Kontaktpreis. Wenn ihr wissen wollt, wie ihr das ausrechnet, verlinken wir euch hier eine Webseite.
1 thought on “Arbeiten mit Influencer*innen – im Gespräch mit 3 Expertinnen”
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