patchwork

Ich habe eine Mutter, einen Vater, zwei Stiefväter und eine Stiefmutter, einen Bruder, einen Halbbruder und dabei belasse ich es jetzt Mal – sonst wird es zu kompliziert. Ob ich darunter gelitten habe, dass unsere Familienkonstellation so verwirrend ist? Nein. Ob es manchmal kompliziert ist? Nein, eigentlich nicht. Ob ich es meinen Kindern selber so wünsche? Nein. 

Wie kann das denn sein? Zwei Stiefväter? Meine Mama hatte einfach verschiedene Partner in ihrem Leben. Eigentlich gar nicht so selten und doch habe ich in der letzten Woche viele verwirrende Nachrichten bekommen, als ich dieses Thema angesprochen habe. Und das, obwohl in Deutschland mehr als jede dritte Ehe geschieden wird. Krass, oder? Also sollten ja wenigstens 30% von uns bestens Bescheid wissen, wie es ist, wenn man nicht mit beiden Elternteilen aufwächst. Bei mir war es sogar so, dass meine Mutter zweimal gemerkt hat, dass es das doch nicht ist. Einmal bei meinem Vater und einmal bei ihrem zweiten Mann. Zusammen ist sie nun mit ihrem dritten Mann und mit allen dreien habe ich einen Teil meines Lebens verbracht. Mit meinem Vater habe ich sogar die kürzeste Zeit zusammengewohnt, denn meine Eltern haben sich getrennt als ich drei Jahre alt war. Nachdem meine Mutter ihren neuen Mann kennengelernt hatte, sind wir zu ihm gezogen und ich habe noch einen Bruder bekommen. Und schon zu dem Zeitpunkt wurde bei uns in der Familie eine Sache sehr stark gelebt: dass wir trotzdem eine Gemeinschaft sind. Obwohl meine Eltern getrennt waren, haben wir Geburtstage zusammen gefeiert. Auch an Weihnachten saßen wir alle zusammen unter dem Baum. Und mit „alle zusammen“ wird es kompliziert, denn wir waren immer viele. Meine Eltern, die neue Frau (meine Stiefmutter) meines Vaters, der neue Mann meiner Mutter plus seine Familie. Meine Großeltern mütterlicherseits aber auch väterlicherseits, mein Onkel und meine Tante väterlicherseits, meine Cousinen und die Paten. Nachdem meine Mutter ihren dritten Mann hatte, kam der auch noch dazu plus seine Kinder und so waren wir an Festtagen immer so viele Leute, dass einfach ein großes Buffet um den Weihnachtsbaum aufgebaut wurde, denn alle an einen Tisch zu bekommen, war schlichtweg unmöglich und das, obwohl sich alle gerne zusammen an einen Tisch setzen würden. Denn Eifersucht, Neid, Missgunst oder andere Katastrophen gab es eigentlich nie. Ich kann mich auf jeden Fall nicht daran erinnern. 

Aber was sich hier so harmonisch anhört, war natürlich auch manchmal schwierig für mich. Doch ehrlich gesagt habe ich das erst gemerkt, als ich erwachsen wurde. Denn da es immer so bei uns zuhause war, man einen Partner immer nur „für einen Lebensabschnitt“ hatte, habe ich für mich mitgenommen, dass das normal ist. Ich glaube, dass dieses Familienbild viele Vorteile, aber auch Nachteile hatte. Der wichtigste Vorteil war auf jeden Fall, dass ich vorgelebt bekommen habe, dass man nicht bleiben muss, wenn es nicht mehr geht. Denn für alle Familienmitglieder ist es ungesund, wenn die Eltern sich nur bekriegen. Der Nachteil war, dass ich vorgelebt bekommen habe, dass man gehen kann, wenn es nicht mehr geht. Hört sich krass an, denn das ist ja eigentlich klar, aber in so einem Kinderkopf macht dieses „Gehen“ ein wenig mehr aus. Es suggeriert (einem Kind), dass so eine Beziehung nicht für immer ist. Dass Partner kommen und gehen. Dass Familie ein Konstrukt von vielen verschiedene Personen ist. Dass Gehen einfacher als Bleiben ist. Und im Einzelfall stimmt das auch – wie zum Beispiel in meiner Familie. Aber das versteht man erst, wenn man es eben verstehen kann. Ich hatte lange das Bild im Kopf, dass Partnerschafft und Ehe nicht funktionieren kann. So gut unsere riesige Patchworkfamilie auch funktioniert hat, war für mich immer klar, dass ich das nicht selber will. Denn Patchwork heißt auch Arbeit, Organisation und auch, dass man für die Gemeinschaft seine eigenen Wünsche in den Hintergrund stellt. 

Mit der Zeit sind wir immer weniger Familienmitglieder bei Festen geworden. Was aber nicht an unserem Zusammenhalt, sondern am Leben liegt. Meine Großeltern sind zum Teil leider nicht mehr da. Wir Kinder sind groß und haben eigene Familien, wir wohnen nun alle in ganz Deutschland verteilt. Doch auch jetzt versuchen wir uns alle so oft wie möglich zu sehen. Ich fahre mit meiner Siefmutter (ich habe sie übrigens nie so genannt) alleine in den Urlaub, war bei ihrer Hochzeit mit meinem Vater übrigens auch ihre Trauzeugin. Meinen Stiefvater aus zweiter Ehe mit meiner Mutter besuche ich auch regelmäßig, wenn ich in der Heimat bin. Und mein zweiter Stiefvater, der jetzige Mann meiner Mutter gehört ja eh dazu. 

Vor wenigen Wochen hatte übrigens mein Bruder Geburtstag. Ein Event, wo sich mal wieder alle, die konnten, zusammen bei meiner Mutter im Haus versammelt haben. Meine Mutter saß mit meiner Stiefmutter, der Freundin vom zweiten Mann meiner Mutter und meiner Oma bei einem Glas Wein in der Küche und die drei Männer meiner Mutter mit meinen Brüdern bei einem Bier im Wohnzimmer. Sie erzählten sich von Urlauben, Golf und den anderen wirklich wichtigen Dingen im Leben – nur nicht von der Liebe, ich glaube, dass da jeder eine andere Geschichte zu erzählen hat und das ist doch auch gut so. 

Meine Geschichte soll so weiterlaufen wie sie begonnen hat. Mit einem Mann. Mit einer kleinen Kernfamilie, die sich in ihrem Konstrukt am nächsten ist. Ich weiß, wie es anders geht und dass es geht. Aber wenn es ohne Umwege funktioniert, finde ich das auch toll. So, wie ich es aus meinem Umfeld gar nicht kenne.  

Bild: Sebastian Fuchs