Ich werde ihn heiraten. Die Worte, die aus meinem Mund kamen und irgendwie unbedacht und doch so tief waren. Und doch habe ich versucht mich in die Sache, die da vor einigen Wochen begann nicht so rein zu steigern, denn ich hatte schon einige Herzschmerzmomente hinter mir.
Die letzten Jahre haben mich auseinandergenommen und mich auf die Probe gestellt. Jetzt, im Nachhinein, würde ich sagen: die Jahre, bevor ich Hörby kennengelernt habe, haben mich nur darauf vorbereitet, was noch kommen würde. Mir quasi aufgezeigt, auf was ich wirklich keinen Wert legen sollte und was im Leben und in der Liebe wirklich zählt. Sie haben mir die Augen geöffnet und mich darauf eingestellt, was ich wirklich von mir und meiner Zeit erwarte. Was will ich eigentlich wirklich? Eine Frage, die ich mir damals oft gestellt habe, obwohl ich die Antwort schon wusste, nur an der falschen Ecke gesucht habe. In den Jahren, bevor ich Hörby kennengelernt habe, habe ich mich nämlich versteckt, wollte die Liebe finden, wusste aber überhaupt nicht wie das geht… etwas in einem anderen Menschen suchen, was man sich selber nicht schenken kann? Ich musste erst einmal lernen, frei zu sein. Frei von Selbstzweifeln und Druck, den ich mir machte. Mein Lebensmotto zu dieser Zeit? Schnell, doll und viel. Der falsche Ansatz, um Ruhe zu finden. Im Leben und in der Liebe. Bis ich mich entschied, mein Leben umzukrempeln. Achtsamer zu sein und mit mir ins Reine zu kommen. Der Höhepunkt dieses Abenteuers sollte Bali werden.
Und dann saß ich in diesem Lokal – irgendwann Anfang September – in Hamburg und versucht mir, mit meiner Mutter einen schönen Abend zu machen. Eigentlich nicht schwer – doch in meinem Kopf wirschten immer wieder diese 24 Stunden umher, die mir seit Wochen keine Ruhe gelassen haben. Ich, hier in Hamburg. Er, irgendwo auf einem Motorrad im Vietnam. Ich hatte keine Ahnung, was dieses Herzklopfen bedeuten sollte. Ich versuchte, mich davor zu schützen, mich in einen Mann zu vergucken, den ich gerade einmal einen Tag und eine Nacht kannte, der Student in einer ganz anderen Stadt war, der wahrscheinlich was ganz anderes suchte als ich, die keine Lust mehr auf Mexikaner und Kieztouren hatte, einen Mann, der gerade (mal wieder) auf einer langen Reise ist, um die Welt zu entdecken und neue Leute kennenzulernen, einen Mann, der auf Bali getindert hat.
Also versuchte ich abzuschalten, ließ mein Handy in meiner Tasche und macht mir ein paar schöne Stunden mit meiner Mutter. Bis ich merkte, dass es in meiner Tasche vibriert. Ich hatte zwei Tage nichts von ihm gehört, dem Mann aus Bali namens Hörby, was kein Wunder war, denn irgendwo im Nirgendwo, mitten im Vietnam, hatte er schlechtes Internet. Umso aufgeregter wurde ich, als ich seinen Namen auf dem Display sah und die ersten Zeilen darunter. Er schrieb mir aus einem Hostel. Ich merkte sofort, dass ein paar Flaschen Bier über die Nachricht gegossen wurden – er nutze viele Smileys, untypisch. Doch den Inhalt und das Gefühl, das ich danach hatte, habe ich bis heute nicht vergessen. Ich las die Zeilen und mein Herz rutschte kurz in die Hose, gleichzeitig musste ich laut anfangen zu lachen und habe danach erstmal mein Glas Wein angesetzt. Nach dieser Nachricht war also klar, dass nicht nur ich mich hier versuche zu konzentrieren, auch er versucht viele tausende Kilometer von mir entfernt auf dem Moped sitzen zu bleiben und nicht mit den Gedanken abzuschweifen. Nun war klar – ich hatte es quasi schwarz auf weiß – hier ist mindestens einer von uns beiden verliebt. Es war an der Zeit, dass auch ich mir einen Ruck gebe und zugebe: der soll`s sein!
Wir blieben die nächsten Wochen so gut es geht in Kontakt, schrieben, telefonierten ab und an und freuten uns auf ein Wiedersehen. Ich schlug ihm vor, dass ich ihn – sobald er wieder in Cottbus sei, wo er zurzeit studierte – besuchen komme. Er sagte sofort zu und so hatten wir ein Date! Anfang Oktober sehen wir uns wieder und werden sehen, wie es dann zwischen uns ist.
Ich zählte die Tage. War aufgeregt, wie es so werde würde. Haben wir uns überhaupt was zu sagen? Wie wird es, in seiner Studenten-WG zu übernachten? Ist es nicht total komisch, wenn wir uns wiedersehen und klar ist, dass ich bei ihm schlafen werde? Sollte ich mir ein Zimmer besorgen? Wir hatten nichts ausgemacht. Außer, dass ich an dem besagten Tag abends in Cottbus ankommen werde. Wie lange ich bleibe? Was wir machen? Keine Ahnung. Wir schauen, was passiert.
Als der Tag gekommen war, ich mich in meine schwarze Jeans, Strickpullover und Lederjacke schmiss und nach Cottbus fuhr, stieg die Aufregung ins Unermessliche. Schließlich kannte Hörby mich ja nur aus dem 40 Grad warmen Bali, er wusste gar nicht, wie mein normales Ich aussieht, wie ich so drauf bin. Auf der Fahrt nach Cottbus rauchte ich eine ganze Schachtel Zigaretten und hielt ein paar Minuten, bevor ich da war, an einer Tankstelle an, um mir die Zähne zu putzen. Alles für den guten Eindruck. Wenige Straßen weiter parkte ich und stand dann auf einmal, wie hergezaubert, vor seiner Tür und da lehnt er am Türrahmen, wartend, wartend auf mich.