kopfkino

Ohne jegliche Zweifel habe ich im Februar 2017 meinen Freundinnen erzählt, dass ich ein Kind bekommen werde. Dieses Gerücht, ein Kind würde die Freundschaft belasten, wird bei mir nicht zutreffen, da war ich mir sicher! Und nun – knapp ein Jahr später – sitze ich in meinem Wohnzimmer und schreibe diesen Text, einen Text über meine Freunde und mich. Mein Leben hat sich drastisch verändert. Ist schöner geworden und lebendiger und mit mindestenszwei Menschen weniger in meinem Leben, als noch vor dem Baby. Spannend an der ganzen Sache ist, dass Alma damit am wenigsten zu tun hat. 

Wenn du ein Kind bekommst, hast du weniger Zeit, dich mit deinen Freunden zu treffen, auszugehen oder auch nur mal für zwei Stunden das Kino zu besuchen – so ein Ausflug gleicht quasi der früheren Urlaubsplanung. Spontan mal kurz für einen Kaffee auf der Schanze treffen, funktioniert schon, nur braucht man mit Baby mindestens eine Stunde extra Puffer. Kurz gesagt: du bist mit Kind weniger da als vorher. Du hast weniger Zeit, kannst meinst nur mit einem Ohr zuhören und dein Baby ist trotz allen Partys und Männergeschichten deiner Freunde, dein Lieblingsthema. So etwas kann eine Freundschaft belasten. Doch das hat es bei mir nicht. Viel mehr habe ich in meiner Schwangerschaft gemerkt, dass es mir viel wichtiger ist, an Leute zu glauben, die das Gleiche für mich fühlen.

Alma hat mir vor Augen gehalten, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, festzustellen, wer wirklich hinter einem steht, wer frei von Neid oder Missgunst zu einem ist und: wer loyal zu dir ist, nicht hinter deinem Rücken über dich spricht. Und so bin ich im Großen und Ganzen glücklich über meine klare Sicht, die in meinem Umfeld oft für zu pragmatisch abgestempelt wird. So heißt es: man darf nicht von einem Freund alles abverlangen. Der eine ist halt unehrlich, der andere ist untreu und der nächste ist dafür unzuverlässig. Doch wieso muss man denn auf die Grundwerte einer Freundschaft verzichten, nur um viele zu haben? Wieso zählt auch hier für so viele Leute Quantität vor Qualität?

Durch Alma ist mein Leben wichtiger geworden, meine Zeit begrenzter und meine Verantwortung sehr viel größer. Daher ist es nun einfach ebenso wichtiger, klarer zu sehen: Ein Freund kann vegan sein, gerne popeln, Sex mit Männern, Frauen und Hunden (ähm, ok) haben, er darf mir sagen, dass er mich mal scheiße findet, er darf zu spät kommen, auch mal gar nicht kommen, er darf langweilig sein oder ein Partytier, er darf keine Kinder haben wollen oder mit vierzehn das Erste bekommen haben. Mir alles sowas von egal! Doch er sollte das Gleiche von Freundschaft verstehen wie ich. Sonst passt es nicht oder? Mir wurde abgeraten, von den Menschen in meinem Umfeld das Gleiche zu erwarten, was ich für sie tue. Doch nur begrenzt kann ich diesem Ratschlag folgen. Denn ist es nicht am wichtigsten, dass man sich in Beziehungen auf Augenhöhe begegnet?

Ich habe euch gefragt, wie es euch ergangen ist: Kind und Freundschaft. Und so viele Nachrichten haben mich erreicht. Ihr seid alle so oft enttäuscht worden, das tut mir sehr leid!

Auch in meinem Freundeskreis – den Teil mit Kindern – habe ich nachgefragt und auch dort habe ich von so viel Neid und bösen Worten gehört.

Bei mir gab es im letzten Jahr einige Veränderungen. Mehr oder weniger von beiden Seiten haben sich Freundschaften gelöst und neue gefunden. Denn ein Kind macht auch neue Bekanntschaften, die im besten Falle zu Freunden werden können. Und so ein Glück hatte ich letztes Jahr. Aus einer Bekanntschaft ist eine enge Freundschaft gewachsen, eine, auf die ich zählen kann. Außerdem hat mir meine Schwangerschaft und schlussendlich Alma natürlich nicht nur gezeigt, wer uns nicht mehr begleiten möchte, sondern ganz klar auch, wer ein wirklich toller Freund ist. Und ich kann mich mehr als glücklich schätzen, dass ich so großartige Menschen um mich herum habe. Zum Teil Freunde, die ich einmal im Monat sehe, es dann aber so schön ist wie eh und je.

Oben sagte ich, dass man mit Kind weniger Zeit, weniger freie Ohren und weniger Themen hat. Also bin ich froh, dass ich mit den vergangenen Monaten immer mehr gemerkt habe, wer mich wirklich, wirklich mag und nur mit diesen Leuten meine Zeit verbringe – mehr als gerne! Diese Leute verzeihen einem auch Fehler und, dass mein Leben durch Alma fremdbestimmter ist als vor ihr. Diese Freunde sind da, hören zu, geben Tipps, machen die Klappe auf, wenn ihnen etwas nicht passt, aber nehmen auch an.

Mein größtes Versäumnis in meinem Leben ist, dass ich zu spät gemerkt habe, auf die richtigen Menschen zu setzen. Früher wollte ich cool sein, beliebt, erwachsen und bin an manchen Kreuzungen falsch abgebogen. Daraus habe ich aber auch gelernt. Gelernt, dass man Freundschaften manchmal erst nach Jahren erkennt und viele doch einfach „nur“ Weggefährten sind, die dich ein Stück begleitet haben und dann ihren eigenen Weg gehen – mit oder ohne Knall. Ich denke, dass beides schön ist. Es ist schön von Menschen zu lernen, die dann aber irgendwann an einer grünen Ampel anstatt rechts, links abbiegen. Aber genauso schön ist es, Menschen um sich zu haben, bei denen man weiß: die bleiben! Und so wird manches einfacher. Einfacher zu verstehen. Woran eine Freundschaft aber nicht scheitert, ist, dass da ein Kind ist. Denn das Kind hält dich zwar ab, viele Dinge zu tun, ändert aber nicht das Band, was bei einer echten Freundschaft da sein sollte. Viel mehr ändert das Kind deine Einstellung und enthüllt manchmal Eigenschaften, die man zuvor nicht kannte – bei dir oder bei anderen.

Ihr, die, die sich angesprochen fühlen: Danke für eure Freundschaft!