geschrieben von Anna Stockheim
Eine Geburt ist der Beginn einer aufregenden, neuen Zeit. Wie wird mein Kind aussehen? Fühle ich mich plötzlich als Mutter mit meinem kleinen Neuankömmling im Arm? Und wie war das nochmal mit dem Einlauf?
Vor wenigen Wochen wären das möglicherweise die Fragen und Sorgen einer Frau kurz vor der Entbindung gewesen. Doch das Virus hat das verändert. Es hat die Gedanken aller verändert.
Während einige Menschen plötzlich ihren Lebensinhalt darin finden Toilettenpapierrollen zu horten, bangen schwangere Frauen darum, ihren Partner mit in den Kreissaal nehmen zu dürfen und ob ihre Nachsorge-Hebamme sie im Wochenbett begleiten kann. Wie geht medizinisches Personal mit den Sorgen der Frauen um?
Ich habe mit Nancy Lee Berthold, einer freiberuflichen Hebamme, über die neuen Herausforderungen ihres Alltags gesprochen, über ihre Ängste und ihre Tipps für werdende und frisch gewordene Mütter.
Nancy Lee arbeitet seit 2019 als freiberufliche Hebamme und steht Schwangeren bei Problemen und Fragen zu Seite, begleitet Geburten als Beleghebamme und übernimmt nach der Entbindung die Nachsorge während des Wochenbetts.
Ihre sonst so körperlich wie emotional enge Arbeit mit den Frauen ist derzeit geprägt von Mundschutzgedämpften Beratungen, dem Geruch von Desinfektionsmittel und möglichst wenig Patientenkontakt.
Das Kursangebot in ihrer Gemeinschaftspraxis in Borna, Sachsen, musste sie bereits einstellen und das vorrausichtlich ohne Entschädigungszahlungen. Das hat einerseits für Sie finanzielle Folgen, aber auch Frauen bleiben, besonders vor der Geburt, ratlos zurück. Eine schwierige Lage, aus der es so schnell kein Ausweg zu geben scheint, wenn die Infizierten-Zahlen weiterhin so schnell steigen.
Um ihre Klientinnen bestmöglich aufzufangen, besucht die junge Hebamme weiterhin die Frauen zuhause oder trifft sie in ihrer Praxis und kann sie so unter hohen hygienischen Auflagen zum Glück wie bisher betreuen. Besonders im Wochenbett ist eine persönliche Nachsorge für Körper und Seele der frisch gebackenen Mama sowie für das Neugeborene wichtig.
Vor wenigen Tagen hat der Deutsche Hebammen Verband eine neue Methode der Beratung zugelassen: Digitale Betreuung. Von Gesprächen über Videochats bis hin zu Online-Geburtsvorbereitungskursen, das soll den jungen Familien Sicherheit geben. Diese Möglichkeiten ersetzten natürlich kein Besuch der Hebamme, aber bieten dennoch eine Möglichkeit, trotz allem schnelle Hilfe zu bekommen.
Da Nancy Lee langsam das Desinfektionsmittel ausgeht, wird das auch bei ihr künftig immer häufiger vorkommen. Ihr Vorrat reicht vorrausichtlich nur noch höchstens zwei Wochen und sie hat Angst davor, dass bis dahin kein neues verfügbar ist. Angst um sich und noch mehr um ihre anvertrauten Klientinnen.
Ihre Arbeit im Kreißsaal des Klinikum Altenburger Land GmbH ist ebenso geprägt von Corona-Schutzmaßnahmen: Noch mehr Hygiene und soweit es geht, den nötigen Abstand halten. Bis zu diesem Punkt klingt alles noch nach einem halbwegs normalem Klinikablauf, doch den hochschwangeren Frauen wird schon an der Anmeldung das Herz schwer. Es darf nur noch eine Person mit in den Kreißsaal oder sie auf der Wochenbettstation besuchen und diese muss gesund sein und bestätigen können, keinen Kontakt mit jemanden gehabt zu haben, der den Verdacht auf den Virus hat oder in einem Risikogebiet war. Diese Ausnahmeregelungen sind jedoch keineswegs für alle Krankenhäuser einheitlich und gelten nicht für den OP-Bereich bei einem möglichen Kaiserschnitt.
Eine nur schwer zu ertragende Situation für die werdenden Mütter, für die Frauen kurz nach der Geburt, die allein mit ihrem Neugeborenen sind, für die erwartungsvollen Partner und Partnerinnen, die so gern ihr Kind kennenlernen wollen und auch für die aufgeregten Geschwisterkinder.
Umso wichtiger sind engagierte Hebammen wie Nancy Lee. Sie versucht Mut zu machen: „Wir Hebammen sind auf jeden Fall immer für die Frauen da! Ob in der Schwangerschaft, unter der Geburt oder im Wochenbett, wir werden weiterhin zu ihnen nach Hause kommen und auch sonst immer helfen so gut es geht.“
Ihr wichtigster Ratschlag ist der, der für alle gilt: Stay the fuck home! Bitte bleibt Zuhause, versucht die letzte Zeit der Schwangerschaft zu genießen, sie als letzte Zweisamkeit und Ruhepause zu sehen. Wenn euer Nestbautrieb schon voll im Gange ist, schickt eure Partner einkaufen. Das gleiche gilt für euer Wochenbett, nehmt euch Zeit, ruht euch aus und heilt. Bestimmt wollen Freunde und Verwandte am liebsten sofort vorbeikommen, um euer neues Familienmitglied kennenzulernen, doch bitte setzt auch Ihr auf Videochats und schickt Bilder. Wenn euch die Decke auf den Kopf fällt, geht dort spazieren, wo nur wenige Menschen sind. Und zu guter Letzt: Kontaktiert eure Hebamme oder eure Frauenärztin bei allen Fragen oder Beschwerden.
Abschließend habe auch ich noch einige beruhigende Informationen und Tipps für euch:
Das „German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG)“ informiert darüber, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder Hinweise darauf gibt, dass Schwangere durch das neuartige Coronavirus gefährdeter sind als die allgemeine Bevölkerung, noch, dass das Virus während der Schwangerschaft auf das Baby übertragen werden kann oder es ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten gibt.
Wenn ihr stillen wollt oder es sogar schon macht, geht das GBCOG davon aus, dass die anerkannten Vorteile des Stillens die potenziellen Risiken einer Übertragung des Coronavirus überwiegen. Falls ihr erkrankt seid, schützt euer Kind unbedingt durch gründliche Handhygiene vor und nach dem Stillen und tragt einen Mundschutz, um eine Tröpfcheninfektion zu vermeiden. Das gilt selbstredend auch für alle Flaschen gebenden Eltern.
Ihr solltet euch wirklich Zeit für Euch nehmen, Quarantäne und Co. können auch Vorteile haben: Es kommt kein Besuch, für den ihr euch unnötig Stress macht, euch etwas Ordentliches anzuziehen oder gar aufzuräumen. Außerdem habt ihr so genug Zeit, um euren kleinen Schatz ungestört von allen Seiten zu fotografieren und den wundervollen Baby-Duft zu schnuppern. Genießt es in vollen Zügen!
Bevor das Toilettenpapier bei euch doch einmal knapp werden sollte, könntet ihr sogenannte „Po-Duschen“ testen. Das ist nachhaltig, ihr erspart eurem Partner den Weg zum Supermarkt und schont im Wochenbett eventuelle Geburtsverletzungen.