geschrieben von Evelyn.
„Jetzt halte still!“ keifte mich die Hebamme an, während ich mich vornübergebeugt an sie festklammerte. Irgendwer stach mir dabei eine PDA und eine Wehe – so schlimm wie tausend Tode – erschütterte meinen Körper. Ich hatte stundenlang auf den erlösenden Kreuzstich gewartet, obwohl alle Formulare schon im Vorhinein unterschrieben waren und ich mir ausdrücklich eine gewünscht hatte.
Ich musste sogar darum brüllen.
Nein. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Denn auch eine Gebärende hat das Recht auf Selbstbestimmung.
Nie ist eine Frau so verwundbar, wie in den Stunden der Geburt ihres Kindes. Plötzlich haben wir keine Kontrolle mehr über unsere Körper, über das, was mit uns geschieht. Gerade in diesen Augenblicken der Verletzlichkeit sind wir auf die Menschen angewiesen, die rund um uns herum schwirren. Und die sind oft überarbeitet, müde, unterbesetzt und schlecht gelaunt.
Gewalt in der Geburtshilfe ist kein seltenes Phänomen. Rund 50 Prozent der Frauen, haben sie erlebt. Dabei fällt unter dem Begriff Gewalt bereits ruppiges Verhalten, das Vorenthalten von Schmerzmitteln, mangelnde Erklärungen, das ständige Durchführen von Muttermunduntersuchungen während der Wehen, der Befehl liegenbleiben zu müssen oder Aussagen wie: „Wenn Sie jetzt nicht mitmachen stirbt ihr Kind!“. Auch Vernachlässigung oder ohne Vorankündigung durchgeführte Dammschnitte verletzen die Rechte einer gebärenden Frau.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat 2010 bestätigt, dass: „Gebärende ein grundlegendes Menschenrecht haben, die Umstände, in denen sie ihr Kind zur Welt bringen, frei zu wählen.“ Frauen haben also auch während der Geburt das Recht darüber zu entscheiden, was mit ihren Körpern geschieht. Zwar können (müssen) Ärzte, Hebammen und andere sie informieren, aufklären, beraten und unterstützen, aber die abschließende Entscheidung über das Vorgehen, über ihren Körper, über ihr Ungeborenes bleibt der gebärenden Frau überlassen.
Vor rund sieben Jahren wurde deshalb der Roses Revolution Day ins Leben gerufen. Am 25. November werden Frauen dazu aufgefordert rosa Rosen vor den Kreißsälen und Kliniken niederzulegen, in denen sie psychische und physische Gewalt widerfahren haben.
Als die Hebamme mich anging, ich solle stillhalten, habe ich mich geschämt.
Ich kam mir schwach vor und von meinen Urinstinkten so getriggert, dass ich vergessen hatte auf Manieren zu achten. Aber nicht ich hätte mich schämen sollen, nein, die Hebamme hätte auch einen anderen Ton anschlagen können. Dann wäre alles anders gewesen. Feinfühliger, ruhiger, sanfter.
Und nicht so bitter im Abgang.
Weitere tolle Beiträge von der bezaubernden fast-zweifach-Mama findet ihr auf ihrem Blog.
Bild: Janine Oswald