Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für ein Kind? Das werde ich oft gefragt und muss immer ein wenig überlegen. Darauf richtig zu antworten, ist quasi unmöglich, wenn nicht sogar falsch, denn wann der richtige Zeitpunkt ist, kann meist noch nicht einmal die Person selber für sich beantworten – wie soll ich das dann machen? Was ich aber sagen kann, ist, dass es meiner Meinung nach keinen richtigen Zeitpunkt gibt. Aber lasst mich das doch einfach mal an meinem Beispiel erklären…
Als ich 16 Jahre alt war, hätte ich mich vielleicht sogar fähig gefühlt, ein Kind zu bekommen. Rein physisch hätte es natürlich funktioniert und auch im Allgemeinen, denn ich glaube, dass ich das schon irgendwie gemeistert hätte. Doch klar ist, dass das bestimmt nicht der beste Zeitpunkt gewesen wäre – vielleicht sogar der schlechteste, denn dann hätte ich wohl gezwungenermaßen an vielen Kreuzungen in meinem Leben anders abbiegen müssen. Doch der Gedanke, Mama zu werden, war für mich immer präsent. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mal dachte: „Oh Gott Kinder? Nicht in meinem Leben!“ Irgendwie war mir klar, dass dieser Step eintreffen wird, dann, wenn es meine Lebenssituation hergibt. In meinem Fall war das ganz klar eine gut laufende Beziehung und eine abgeschlossene Ausbildung, einen erlernten Beruf in der Tasche, den ich mit Freude ausübe. Und was soll ich sagen: Beides hat geklappt, bevor ich schwanger wurde und das ja sogar, ohne es wirklich zu wollen. Denn – wie ich schon öfters erzählt habe – Alma war ungeplant und doch so gewünscht. Von uns beiden. Irgendwann.
In den Wochen, in denen Alma entstand, sprachen wir viel über unsere Zukunft. Sprachen darüber, dass wir wirklich zusammenbleiben wollen, dass wir eine Familie gründen möchten, nachdem wir nochmal zusammen reisen gehen. Hörby hatte den Wunsch, nach Australien zu fliegen und ich sagte ihm, dass ich dabei bin – wann immer er auch will. Wir sprachen über unsere Kinder, die wir mal bekommen werden und dass wir dann auch irgendwann mal heiraten möchten. Wir redeten über unser Leben, das seinen Mittelpunkt immer noch in Hamburg haben soll und über die vielen Dinge, die wir zusammen erleben möchten. Und plötzlich war der Schwangerschaftstest positiv. Mitten in unseren Plänen. Mitten in unserem Lebensentwurf kam das Leben dazwischen. War es die Euphorie, war es einfach nur die schludrige Einnahme der Pille, war es dieses kleine Menschenkind, das so gerne zu uns wollte, war es die Liebe, die vor der Vernunft siegte oder war das einfach der richtige Weg für uns – der richtige Zeitpunkt, ohne dass wir ihn kannten?
Wir wurden also schwanger, bekamen Alma und es fügte sich alles um uns herum. Wir blieben zusammen – glücklich zusammen – und wurden Eltern eines Neugeborenen, eines Babys, eines Kleinkindes. Ein Leben, dass wir uns genauso zusammen erträumt hatten, als die Frage des Zeitpunktes immer wieder aufkam. Doch das Leben ging dann doch seinen eigenen Weg und beschenkte uns mit dem größten Geschenk. Natürlich fragten wir uns am Anfang der Schwangerschaft, ob das jetzt alles so richtig ist, ob wir vielleicht zu viele Schritte überspringen, ob wir nicht viel mit dieser Verantwortung kaputt machen, unsere Beziehung auseinander bringen könnten. Natürlich hörten wir andere Meinungen, hörten Kritiker, hörten, wie ein Kind eine Beziehung belasten kann. Natürlich hatten wir Angst um unsere finanzielle Situation. Schaffe ich je als freie Journalistin anzukommen, wenn ich so schnell eine Pause einlege? Hörby war noch im Studium und verdiente kein Geld. Wir wohnten in einer zwei Zimmer Wohnung mitten in der Innenstadt. Ich rauchte, trank gerne Alkohol. Wir gingen gerne auf Partys, kamen betrunken nach Hause, aßen Mettbrötchen im Bett und guckten Sonntags den ganzen Tag Serien. Natürlich kam da die Frage auf, ob wir bereit sind… für ein Kind. Doch schwanger ist schwanger und unsere Liebe zu einander war so gefestigt, dass es für uns nie in Erwägung kam, daran etwas zu ändern.
Und heute, zwei Jahre später, kann ich sagen, dass es keinen besseren Zeitpunkt hätte geben können. Wir haben alles richtig gemacht – oder viel mehr das Leben. Wir haben uns nie aus den Augen verloren, sind jeden Tag mehr zusammen gewachsen als Paar und als Eltern. Wir haben unsere Ziele trotz Kind nicht aus dem Auge verloren und uns so gut eingespielt, dass schnell klar wurde, wir wollen noch einer mehr sein.
Uns so individuell wie unsere Geschichte, ist die Geschichte von euch allen. Da gibt es die Teen-Moms, die nicht wissen, wie sie es schaffen sollen. Da gibt es die Frauen, denen die Zeit abläuft, denn die innere Uhr tickt, aber kein Partner ist in Sicht. Da gibt es die, die lieber erst Karriere gemacht haben und sich jetzt fragen, ob nicht auch beides zusammen geht. Da gibt es die, die viel reisen müssen. Da gibt es die, die wenig Geld zur Verfügung haben. Da gibt es die, die ganz alleine sind. Und alle haben etwas gemeinsam. Die Frage: ob es einen richtigen Zeitpunkt gibt…
Einen richtigen Zeitpunkt, um ein Stück von sich aufzugeben und dafür so viel mehr zu bekommen. Den richtigen Zeitpunkt, um ins kalte Wasser zu springen und als neuer Mensch wieder aufzutauchen. Den richtigen Zeitpunkt, um Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung, die bleibt und mit jedem Tag wächst. Denn ein Kind ist wohl die krasseste Entscheidung, die man in seinem Leben treffen kann. In beide Richtungen, denn ein Kind fordert nicht nur sehr viel ein, sondern gibt mindestens genauso viel zurück. Ein Kind kann die Beziehung stressen, aber auch viel enger zusammenrücken. Ein Kind ist ein absolute Zeitfresser, aber auch ein richtiger Entschleuniger. Um ein Kind zu versorgen, braucht es ein ganzes Dorf, oder einfach eine gute Organisation. Ein Kind kostet nur dann viel, wenn man es sich leisten kann. Ein Kind ist kein Hindernis um zu reisen, nur ein Grund anders zu reisen. Ein Kind ändert das Leben und verändert die Sichtweisen – macht uns alle zu besseren Menschen. Also kann ich euch sagen, dass es keinen richtigen Zeitpunkt gibt. Nur einen falschen Zeitpunkt, wenn ihr euch im tiefsten Inneren nicht bereit fühlt, euer Leben ab jetzt zu teilen, denn ab dem Zeitpunkt des positiven Schwangerschaftstest gibt es keine Ich-bin-der-einzige-Mensch-Welt mehr, sondern nur noch dich plus Eins.